Lösungen und Perspektiven. Die amerikanische Paralysis und das Hindernis des nationalen Souverenitätsgedanken in Europa
Die mittlerweile zu internationalen Hauptverfechter des reinen ökonomischen Paradigmas der effizienten Märkte – auf der Basis der Politik der Ungleichheit – avancierten Vertreter der Herrschaft des Finanzkapitals, die Rating Agencies, bestimmen die europäische Politik über die Instrumentalisierung der Devaluierung der Kreditwürdigkeit der verschiedenen Staaten. Der internationale Charakter der Krise und das Zögern Europas(Deutschlands), machten die Teilnahme des IMF in den europäischen Rettungsversuchen notwendig. Leitgedanke der Rettungsversuche bleibt, ohne vom eigentlichen Charakter der Krise beeinflußt zu werden, das mathematisierte liberale Paradigma: Die Durchsetzung der Politik der Ungleichheit als Lösungsformel, d.h. Sparen, also Depression, als Mittel gegen die Auslandsverschuldung. Das Ziel war und bleibt das Politische als Störfaktor zu zähmen.
Die Lösung, die deswegen keine sein kann, soll durch die Intensivierung der Ungleichheit erreicht werden. Die sogenannten Exzesse der staatlichen Haushalte (Sozialstaat) sollen durch Ersparnisse gezähmt, bzw. rückgängig gemacht werden, bei gleichzeitiger Rücknahme der Unternehmensteuer und massiven Gehaltskürzungen. Mit anderen Worten, das Ziel ist den Sozialstaat weiterhin unter Druck zu setzen, die Einkommensverteilung zu Gunsten des Finanzkapitals zu verschärfen und dadurch die Depressionsspirale als einzigen Ausweg aus der Krise zu deklarieren.
Im öffentlichen Diskurs nimmt das die Form eines Appels der Wirtschaft an die Politik an, endlich Lösungen mit langfristiger Perspektive zu finden. Dies ist zwar vernünftig, ändert aber nichts an dem bestimmten Charakter der politischen Entscheidungen, die von den Rating Agencies verlangt werden. Konjunkturprogramme und Erleichterung des Drucks auf die niederen Einkommen, bzw. sozialstaatliche Maßnahmen, sind zwiefellos außerhalb der Zielsetzung der Bewertung der Staaten, da sie vorerst die Verschuldung(bei Beibehaltung der Abstufung der Steuerleiter) vergrößern würden und somit dem möglichst schnellen Rückgang der Verschuldung entgegen wirken würden.
Diese Position wurde offensichtlich bei der absurden da vollkommen sinnlosen Abwertung der Kredibilität des amerikanischen Staates, als die Verhandlungen über die Erhöhung der Schuldengrenze in den USA ins Stocken geraten war. Zwar war das öffentlich vorgetragene Argument die tatsächliche Ineffizienz der amerikanischen Politik, aber das Ziel war der Versuch der Deligitimation und Destruktion der Obama Präsidentschaft, da sie als Regierung die Verantwortung trägt und ihre Vorschläge nicht durchsetzen kann(Eine Abwertung der USA, die noch über die Internationale Leitwährung verfügt würde der Abwertung der Weltwirtschaft gleichkommen, was nur sinnlos sein kann).
Für Europa sieht das prima facie etwas anders aus. Von den Rating Agencies und den Banken wird eine Politik verlangt, die langfristig zu einer Lösung der Schuldenkrise führen soll und die europäische Währung stabilisieren soll, was die europäische(deutsche) kurzlebige Flickerei nicht gewährleisten kann. Das ist vorerst richtig. Eine gesamteuropäische Lösung muß her(Überwindung der Maastrichter Auswegslosigkeit). Aber a.) da wegen der Vorherrschaft der Partikularität durch die jeweiligen Nationalismen sie nicht durchsetzbar zu sein scheint, kann man sie ohne besondere Konsequenzen verlangen und b.) der unbedingte Inhalt dieser Lösung soll dem Ordoliberalismus verpflichtet bleiben, also sparen(Verkümmerung des Sozialstaates), Begünstigung der Unternehmerprofite, um angeblich Investitionen zu begünstigen(Vertiefung der Ungleichheit) und weitere Übernahme der Spekulationsverluste der Banken, durch die Steuerzahler. Also durch EFSF und ESM, deren Konstruktionsarchitektur den toxischen Charakter der Staatsverschuldung nicht verhindern kann, da die Fesselung der EZB durch die Maastrichter Bestimmungen die Staaten weiterhin zur Kreditaufnahme auf dem freien Finanzmarkt verpflichtet, was jedem Rettungsversuch zuwiderläuft. Die Quintessenz dieser Entwicklung ist, daß das ordoliberale Paradigma Depression durch Depression bekämfen will, was die Krise, in der Form z.B. der Gefahr des Zusammenbruchs der Eurozone, nur vertiefen kann. Daß dieses Paradigma weiterhin seine Gültigkeit behält, obwohl es der Grund der Bankenkrise von 2007/2008 war und in ihre Mutation in die Staatsschuldenkrise geführt hat, hängt von zwei Faktoren ab: a.) von den Erfolgen der Rechten, die das System in den USA paralysiert haben und die Herrschaft des Finanzkapitals festigen und b.) von der Unmöglichkeit der Überwindung des nationalen Souverenitätsgedankens in der Eurozone, dessen ökonomische Ausdrucksform durch die ökonomische Asymetrie innerhalb der Eurozone gefestigt wurde. Solange durch den Maastrichter Vertrag die Staaten gezwungen sind Kredite auf dem freien Markt zu suchen, solange, also die EZB keine “Identitätsänderung“ durchmacht, um durch, wie auch immer strukturierte Kredite, die Staaten aus der Schuldenfalle zu retten und solange die Finanz- und Wirtschaftspolitik national bleibt, also keine ausschlaggebende europäische Regulierungs- und Ordnungspolitik möglich ist, solange werden die Rating Agencies die Bewertung der Rettungsversuche bestimmen und das Schicksal des europäischen Projektes an die Interessen des internationalen Kapitals binden. Es ist auch sehr bezeichnend, daß die Finanzinstrumente der versuchten Eurorettung genau der Logik der „innovativen“ Finanzprodukte entsprechen, also ähnliche Strukturen aufweisen(Zusammengesetzte Pakete, Hebelwirkung also leverage etc.), während der Versuch das chinesische Kapital als Investor anzulocken, die daraus resultierende Abhängigkeit in Kauf nimmt.
Es bleibt trotzdem eine Hoffnung, die den Zusammenbruch der Eurozone und somit den Zusammenbruch der Europäischen Union verhindern könnte. Die wachsende Belastung der europäischen Gesellschaften könnte die normative Kraft des Faktischen endlich aktivieren und die Macht des Finanzkapitals brechen. Schließlich ist das europäische rechte Spektrum nicht so paranoid wie das amerikanische. In den Vereinigten Staaten könnte nur ein erneuter Sieg von Obama die drohende Katastrophe verhindern(die Wahlen in Deutschland 2013, die eventuell eine Änderung der europäischen Politik bedeuten würden, liegen leider in weiter Ferne..). Denn Katastrophe bedeutet für den Westen die grundsätzliche Destabilisierung des Projektes der Moderne durch die Marginalisierung des Politischen. Mit anderen Worten, sie bedeutet die größte Gefahr für die Demokratie und diesmal nicht durch den Staatstotalitarismus, sondern durch den Marktradikalismus.
Durch den Vertrag von Maastricht wurde die ordoliberale Ordnung politisch etabliert, weil die Politik sich in Schranken gezwungen hat, die man nur als Ordnungsprinzip einer Form der Postdemokratie interpretieren kann. Man muß einfach feststellen, daß der berühmte Satz von Roosevelt, in seiner Rede im Madison Square Garden vor seiner zweiten Wahl 1936, weiterhin seine Gültigkeit behält.
“We know now that Government by organized money is just as dangerous as Government by organized mob…”
Es geht schließlich darum die Postdemokratie der Finanzinteressen, die die Politik bestimmen, zu verhindern. Es geht darum, wie es Habermas formuliert, die Würde der Demokratie zu retten. Es geht darum das Politische vor der Destruktionskraft der ordoliberalen Politik der Ungleichheit zu befreien.
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