Thomas A. Bauer, Marko Ivanisin, Bernd Mikuszeit (Hrsg.) Evaluierung von Bildungsmedien und Multimedia Kriterien und Weiterbildungsangebote Internetpublikation zum Projekt




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Sana26.06.2021
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Die deutschen Lösungsversuche.
In Deutschland, nach der Einführung des Euro (die eigentlich als die Bedingung der Akzeptanz der Wiedervereinigung aufgefasst wurde, was sie zweifellos auch war), wurde eine kontrollierte und geordnete Politik der Ungleichheit (Agenda 2010), bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der industriellen Kapazität der deutschen Wirtschaft, folgt. Das führte dazu, daß die Konkurenzkapazität gestärkt wurde und die deutsche Wirtschaft ihren industriellen Charakter behielt, was wiederrum den “geordneten” Charakter der Politik der Ungleichheit ermöglichte und Deutschland als Produktionsstätte Europas bestätigte. Die Konsequenz war, daß die industrielle Produktion genug Profite abwarf um kombiniert mit der erzielten Ungleichheit (Hartz 4, Mini Jobs, Leiharbeit, Dumpinglöhne, Umverteilung durch die Steuerleiter) weiterhin attraktiv für das Kapital blieb. Gehälter, Löhne und Renten blieben faktisch stabil, d.h. sie profitierten von dem erfolgten Aufschwung kaum, wodurch der Konkurenzvorteil wuchs und die dadurch erzielte Profitmaximierung Investitionen in die industrielle Produktion anlockte und die Abwanderung des Kapitals in die Investitionsbanken in Grenzen hielt. Dadurch wurde die amerikanische und englische Entwicklung vermieden(Die Deutsche Bank z.B. mit mehr als 80% ihres Geschäftsvolumen in dem Investitionsbanksektor ist keine deutsche Bank mehr, sondern eine internationale Investmentbank, da sie mit nur 4% ihres Geschäftsvolumens die deutsche Industrie unterstützt ). Entscheidend für diese Entwicklung waren die Großen der industriellen Produktion(Autos, Maschinen, Chemie) , die natürlich auch international massiv investieren und produzieren aber vorallem der industrielle Mittelstand, der durch seine Gewinne und seine Investitionsstrategie (Reinvestition der Profite), seine Unabhängigkeit gegenüber den Banken beibehalten hat und den wichtigsten Rückhalt für die bescheidenen Versuche der Bundesregierung dem Bankkapital auf Augenhöhe zu begegnen, liefert.

Man darf auch nicht vergessen, daß die deutsche Industrie die wichtigsten international geltenden Statussymbole des individuellen wirtschaftlichen Erfolges produziert, wodurch der individuelle soziale Aufstieg öffentlich belegt wird. Vom Golf bis zum Rolls Royce liegt mittlerweise die ganze Palette der als Statussymbol geeigneten Autoproduktion in den Händen der deutschen Industrie.

Die geordnete Politik der Ungleichheit erreichte ein doppeles Ergebnis. Sie ermöglichte, sowohl die Konzentration des Reichtums, die inzwischen die größte in der bundesrepublikanischen Geschichte ist aber nicht die Hyperkonzentration der USA erreicht hat, als auch einen nicht schockartigen Rückgang des Sozialstaates, bei niedriger Arbeitslosigkeit, der durch seinen allmählichen und fragmentienten Charakter die politische Auseinandersetzung nicht bestimmen konnte. Im Gegenteil, die dadurch erzielte bessere soziale Situation in Deutschland, oder zumindest das bessere -im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern - Bild der sozialen Situation des Landes in der Öffentlichkeit, unterstützt eher den ökonomischen Nationalismus, der sich in der Angst vor dem angeblich drohenden Verlust des Erreichten , durch eine größere Einbettung in Europa, ausgedrückt wird.

Nur die Alterung der deutschen Gesellschaft scheint ein bedrohliches Problem zu sein, das die “geordneten” Verhältnisse ins Wanken bringen und den kontrollierten Rückgang des Sozialstaates gefährden kann. Man darf auch nicht unterbewerten, daß die Wiedervereinigung, also die Integration Ostdeutschlands, die Kombination von sozialer Disziplin, produktiven Investitionen und “logischer”Ungleichheit (die Situation der Bürger der ex DDR) salonfähig gemacht hat, was die Politik der Ungleichkeit verschleiert oder als nationale Notwendigkeit erscheinen ließ.

So wurde Deutschland das China Europas. Der Überschuß Deutschlands bedeutet im Rahmen des europäischen Marktes das Defizit des konkurrenzschwachen Südens. Dies hatte vorerst keine Explosivkraft. Die stagnierende oder rückgängige Produktion (Italien, Frankreich) bei massiver Umverteilung zugunsten der Reichen, hatte keine Folgen für das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung und die Ungleichheit der Steuerleiter wuchs, ohne vom dramatischen Anstieg der Armut gefolgt zu werden.

Die billigen, als AAA bewerteten, Kredite der Eurozone, gesichert von der deutschen (echten) und gesamteuropäischen (Schein), Stabilität, finanzierten über die Staatsverschuldung, die Konsumkapazität und den Wohlfahrtstaat. Gleichzeitig, die Euphorie der Finanzspekulation(Investmentbanks in Island und Irland als extreme Beispiele, aber auch in Frankreich und in Deutschland und der Bauboom in Spanien) erzeugten einen ungleichen Wohlstand auf Pump, der in Griechenland seine absurdesten Formen annahm.(Ein Steuersystem, das bei weitem die Steuerungleichheit der USA überschritt als Ergebnis von Steuerimmunität, Steuerhinterziehung und Korruption des Finanzapparates, Finanzierung von Klientelnetzwerken, Entindustrialisierung, Zusammenbruch der substitutionsabhängigen(E.U.) Landwirtschaft, massive private und öffentliche kreditgestützte Konsumption ect).

Deutschland ist das einzige europäische Land, das von der Krise nicht mitgerissen wurde und weiterhin auf seine Produktionsleistung bauen kann. In der Eurozone, in der E.U., bilden Griechenland und Deutschland die absoluten Antipoden. Deswegen ist Griechenland das Land, was man gerade noch in der Eurozone toleriert, faktisch nur aus Angst vor Dominoeffekten, während Deutschland seine Bedingungen für die Lösung aus der Krise stellt und das europäische Geschehen bestimmt. Zwar bilden Frankreich und Deutschland öffentlich das Führungstandem Europas, wobei die Komission und die europäischen Instititionen zu einer Art Sekretariat der deutsch/französischen Führung degradiert sind, aber die Entscheidungen liegen in deutscher Hand. So werden ausschlaggebend für die Strategie aus de Krise die Entscheidungen des deutschen Bundestages und des deutschen Verfassungsgerichts. Die Vorherrschaft Deutschlands in der Eurozone ist schon eine Realität, da nur Deutschland über die Mittel und die wirtschaftliche Struktur verfügt, um die Eurozone zu leiten. Diese Leitung ist aber äußerst problematisch, da eine wirklich europäische Lösung durch die Überwindung der Organisationsdefizite des Maastrichter Vertrages für Deutschland nicht akzeptabel ist. Eine “Identitätsänderung”des deutschen Nationalstaates ist gesellschaftspolitisch nicht tragbar, was zweifelsohne, die Mehrheit der Bürger der anderen europäischen Nationalstaaten für sich auch ablehenen würden, obwohl die Überwindung der Auslandsschuldenkrise die Reorganisierung des europäischen Systems fordert. Auch erste Schritte in diese Richtung, über die Restrukturierung der Rolle der EZB, sind in Deutschland kaum tragbar. Frankreich und der europäische Süden würden das wünschen und es würde im Endeffekt weniger kosten als die Flickerei der letzten 2 Jahre. Die aktivere Rolle der EZB (z.B. Eurobonds) würde keine grundlegende Veränderung an der Struktur der Integration Europas bedeuten. Eine Restrukturierung der EZB würde aber die Abkoppelung aus der so entstandenen gegenseitigen Abhängingkeit unmöglich machen und diese Option will anscheinend Deutschland(und der reiche Norden), das sich durch ihre Wirtschaftsposition sicher fühlt, nicht aufgeben. Zumindest der konvervative Teil der deutschen Gesellschaft und die deutsche Industrie wollen so eine Option nicht fallen lassen.

Eine moralisierende Politik scheint besser geeignet zu sein, um die nötigen Konsequenzen zu vermeiden. Die Sünder müssen für ihre Sünden bezahlen, egal ob diese Sünden zum Wachstum der deutschen Industrie erheblich beigetragen haben und dadurch die deutsche Position in der Welt zementiert haben.. Für einen Teil der konservativen politischen Eliten in Deutschland scheint die Konstruktion der EZB als Kopie der alten Bundesbank nicht genug zu sein. Aus diesem Blickwinkel heraus hängt die internationale Konkurenzfähigkeit Europas von der “Germanisierung” ihrer sozialen Struktur ab, sonst hat dieEurozone keine Existenzberechtigung. Falls man auf das Eurozonemodell weiterhin bauen soll, muß Europa quasi nach dem deutschen sozialen Modell strukturiert werden. Das bedeutet Verfestigung der internen Ungleichheiten und eine idiomorphe Verflechtung der europäischen Staaten untereinander: Produktive konkurenzfähige Staaten im germanophonen Raum und im Norden Europas und Staaten mit billiger Arbeitskraft und möglichst niedrigen Sozialkosten im Süden Europas. In so einer Struktur Griechenland, als schwächstes Glied Europas, müßte auf dem möglichst niedrigen Niveau am Leben, also in der Eurozone, gahalten werden. Die alternative für Griechenland, wäre sowieso die noch katastrophalere Rückkehr zur Drachme. Eigentlich heißt das, um beim deutschen Modell zu bleiben, Griechenland soll ein Hartz-4 Land Europas werden. Schließlich und das stimmt auch, ist das die Folge der Bedingungen der sozialen Integration eines Sonderfalls, der nie wirklich in Europa integriet wurde.



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