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Gericht ogh entscheidungsdatum
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bet | 1/2 | Sana | 04.04.2017 | Hajmi | 154,04 Kb. | | #3174 |
14.12.1960
Gericht
OGH
Entscheidungsdatum
14.12.1960
Geschäftszahl
6Ob217/60
Norm
ABGB §879;
ABGB §1168a;
ABGB §1295;
Kopf
SZ 33/139
Spruch
Die Ablehnung der Haftung durch den Übernehmer eines Werkes schließt die Warnpflicht nach § 1168a ABGB. nicht aus. Ein die Schadenersatzpflicht nach dem ABGB. vollkommen ausschließender Handelsbrauch ist unsittlich und unbeachtlich.
Entscheidung vom 14. Dezember 1960, 6 Ob 217/60.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die beklagte Partei verrichtete in der ersten Jännerhälfte 1958 im Auftrag der klagenden Partei an dem Kompressor eines der klagenden Partei gehörigen Aggregates Reparaturarbeiten. Am 13. Februar 1958 wurde das Aggregat von der S.-Betonbaugesellschaft, der es die klagende Partei vermietet hatte, in Betrieb genommen. Am 14. Februar 1958 trat im Kompressor des Aggregates durch den Bruch eines Kolbenlagers ein explosionsartiger Defekt auf, durch den der Kompressor zerstört wurde. Das Erstgericht wies, die auf den Ersatz des der Klägerin durch die Zerstörung des Kompressors entstandenen Schadens in der Höhe von 8000 S s. A. gerichtete Klage kostenpflichtig ab. Es nahm an, daß auf Grund der allgemeinen Liefer- und Montagebedingungen - laut welchen die Mängelhaftung in allen Fällen nur die Beseitigung des vom Lieferer zu vertretenden Mangels umfasse und darüber hinausgehende Ansprüche des Bestellers, insbesondere für Folgeschäden, ausgeschlossen seien - die Beklagte aus dem Grund der schuldhaften mangelhaften Erfüllung des Werkvertrages nicht schadenersatzpflichtig sein könne. Es sei aber auch eine besondere Vereinbarung, laut welcher die Haftung der Beklagten über die Haftung auf Grund der allgemeinen Geschäftsbedingungen hinausgehen sollte, nicht zustande gekommen. Auch stehe noch gar nicht fest, ob der Mangel im Zeitpunkt der Reparatur bereits bestanden habe und somit damals erkennbar gewesen sei, wenn dies auch wahrscheinlich sei. Für das Verschulden der beklagten Partei treffe aber die klagende Partei die Beweislast, denn § 1298 ABGB. gelte diesfalls nicht, da die beklagte Partei erfüllt habe. Weil sich der genaue Schadensablauf jedoch heute nicht mehr feststellen lasse, sei der klagenden Partei der Beweis dafür, daß die beklagte Partei bei Übergabe des Kompressors ein Verschulden nach § 1299 ABGB. getroffen habe, nicht gelungen. Die beklagte Partei sei daher für den eingetretenen Folgeschaden sowohl auf Grund der Lieferbedingungen als auch infolge Fehlens eines sonstigen Haftungstatbestandes nicht ersatzpflichtig. Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es begrundete seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen: Wenn durch die vom Erstgericht angeführten Bestimmungen in den allgemeinen Lieferbedingungen Schadenersatzansprüche aus verschuldet verursachtem Schaden ausgeschlossen werden sollten, so wäre dies gesetzwidrig bzw. sittenwidrig und daher unbeachtlich. Wenn das Erstgericht einerseits anführe, es habe nicht festgestellt werden können, ob der Mangel im Zeitpunkt der Reparatur bereits bestanden habe und somit erkennbar gewesen wäre, andererseits aber dies für wahrscheinlich halte, so habe es nicht beachtet, daß das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem schädigenden Ereignis, insbesondere wenn es in Unterlassungen bestehen solle, und dem Schaden im Sinne des § 1295 ABGB. nicht überspannt werden dürfe. Die Haftung werde zu bejahen sein, wenn überwiegende Gründe dafür vorlägen, daß der Schaden durch ein Verhalten des in Anspruch Genommenen herbeigeführt worden sei. Hiebei werde auch zu berücksichtigen sein, daß sich gerade dann, wenn die Beklagte die sie als Kaufmann, Unternehmer und Sachverständigen treffende Sorgfaltspflicht im Sinne der §§ 347 HGB., 1165 und 1299 ABGB. nicht beachtet und auch ihrer Warnpflicht im Sinne des letzten Satzes des § 1168a ABGB. - auf Grund deren sie die Klägerin vor den möglichen Nachteilen und Gefahren im Falle der Unterlassung der Zerlegung des Kompressors hätte warnen müssen - nicht entsprochen hätte, der ursächliche Zusammenhang nicht ganz strikt feststellen lassen würde und es daher genüge, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit hiefür vorliege, daß im Zeitpunkt der Reparatur das den Schaden verursachende Lager bereits schadhaft gewesen sei und die Schadhaftigkeit bei der nach den Umständen des Falles gebotenen Prüfung des Lagers hätte erkannt werden können. Das Erstgericht habe aber keine Feststellungen über die einzelnen Umstände getroffen, aus denen sich verläßlich entscheiden ließe, ob eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des ursächlichen Zusammenhanges gegeben gewesen sei oder nicht, so daß das Verfahren mangelhaft geblieben sei. Den Entschuldigungsbeweis habe im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichtes trotz § 1298 ABGB. die Beklagte zu erbringen, wenn sie der ihr obliegenden Sorgfalts- und Warnpflicht nicht nachgekommen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht ist insofern beizustimmen, als ein die Schadenersatzpflicht des ABGB. vollkommen ausschließender Handelsbrauch sittenwidrig und daher unbeachtlich wäre (SZ. XXIX 76). Der Oberste Gerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen (6 Ob 324/58, 6 Ob 159/59, 6 Ob 147/60 u. a.), daß ein Ausschluß des Anspruches auf Schadenersatz jedenfalls dann sittenwidrig ist, wenn es sich um einen - diesfalls nicht in Betracht kommenden - vorsätzlich zugefügten Schaden handelt, aber auch dann, wenn es sich um einen Schadensfall handelt, der grob fahrlässig in einem für das Rechtsverhältnis atypischen oder doch nach den Umständen des Einzelfalles nicht voraussehbaren Zusammenhang herbeigeführt wird. Wenn die Beklagte der ihr gemäß § 1299 ABGB. auferlegten Sorgfaltspflicht und auch der sich aus dem letzten Satze des § 1168a ABGB. ergebenden Warnpflicht nicht nachgekommen wäre, obwohl der Schaden für sie erkennbar gewesen wäre, würde dies wohl auf ein grobes Verschulden hindeuten, und nach den Umständen des Falles hätte die Klägerin wohl auch kaum voraussehen können, daß der von der Beklagten eben erst reparierte Kompressor explodieren werde. Zum übrigen schließt auch eine Ablehnung der Haftung durch den Übernehmer eines Werkes seine im Gesetz ausdrücklich festgelegte Warnpflicht im Sinne des letzten Satzes des § 1168a ABGB. nicht aus (s. hiezu auch SZ. XXVII 292).
Was die Beweislastumkehrung im Sinne des § 1298 ABGB. anlangt, so kommt sie allerdings nur dann in Betracht, wenn durch die Nichterfüllung ein Schaden eingetreten ist, nicht aber auch dann, wenn ein Kontrahent durch Schlechterfüllung oder wenn jemand anläßlich einer Schulderfüllung geschädigt wurde (SZ. XXIX 76 u. a.). Das Berufungsgericht hat aber auch - wenn man seine diesbezüglichen Ausführungen richtig versteht - nicht angenommen, die Beklagte müsse von vornherein beweisen, daß sie kein Verschulden treffe, was dem § 1298 ABGB. widersprechen würde, weil sie ja durch die Lieferung jedenfalls erfüllt hatte. Es hat nur ausgeführt, daß es dann, wenn eine Unterlassung der ihr auferlegten Sorgfalts- und Warnpflicht zu bejahen und auch anzunehmen wäre, daß bei gehöriger Erfüllung dieser Pflichten der Schaden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingetreten wäre, Sache der Beklagten sein werde, andere Schadensursachen zu behaupten und in diesem Sinne den Entlastungsbeweis zu führen. Diese Ansicht des Berufungsgerichtes ist nicht rechtsirrig, denn sie entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (SZ. XXVII 43, auch EvBl. 1957 Nr. 220, u. v. a.; Wolff in Klang 2. Aufl. VI 12), wonach zur Begründung eines Ersatzanspruches - insbesondere wenn das schädigende Verhalten in Unterlassungen besteht - der Nachweis eines höheren Grades der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges genügt und es, falls eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, Sache des Schädigers ist, zur Erschütterung der Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhanges eine ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit einer anderen Ursache oder eines anderen Ablaufes der Dinge aufzuzeigen.
Damit ist dargelegt, daß dem Berufungsgericht bei der Beurteilung des Falles ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen ist.
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