BDÜ-Konferenz Übersetzen und Dolmetschen 4.0, Bonn 2019
SEO-Übersetzungen:
Lukrative Nische mit Zukunftspotenzial
Marion Rhodes, CT, M.Sc.
ATA, ATISDA
marion@imctranslations.com
Einführung
Im Laufe des letzten Jahres gingen immer mehr Anfragen folgender Art in meinem Postfach ein: „Bieten Sie auch SEO-Dienste an?“ Da ich in meiner frühen Karriere kurzzeitig als SEO-Texterin tätig war, fallen derartige Gesuche bei mir auf fruchtbaren Boden. Inzwischen besteht gut 50 % meiner Auftragslage aus SEO-Übersetzungen. Dabei sind mir einige Dinge aufgefallen:
Qualifizierte SEO-Übersetzer sind derzeit noch relativ schwer auffindbar.
Vielen Kunden fehlt die nötige Fachkenntnis, was bei der internationalen Suchmaschinenoptimierung (iSEO) alles beachtet werden muss.
Im Folgenden biete ich einen Einblick in das Spezialisierungsfeld iSEO und erkläre, was dabei sowohl von Übersetzer- als auch von Kundenseite her zu berücksichtigen ist.
Was ist iSEO?
Immer mehr Unternehmen ergreifen ihre Chancen auf dem globalen Weltmarkt. Doch wer international Erfolg haben will, merkt schnell: Die Übersetzung des Internetauftritts ist erst der Anfang. Um von potenziellen Kunden im Zielland wahrgenommen zu werden, müssen Web-Inhalte optimiert werden – auch in der Fremdsprache. Allerdings fehlt es oft an den nötigen Fachkenntnissen bzw. internen Ressourcen, um diese Aufgabe in-house zu übernehmen.
Übersetzer mit Kenntnissen im Bereich internationales Suchmaschinenmarketing (SEM) stehen daher hoch im Kurs. SEM (aus dem Englischen: Search Engine Marketing) stellt ein Teilgebiet des Online-Marketings dar. Es beschreibt alle Maßnahmen, um Online-Texte mit Hilfe von Keywords für Suchmaschinen sichtbar zu machen. Dabei wird zwischen der organischen Suchmaschinenoptimierung, kurz SEO (englisch: Search Engine Optimization) und der bezahlten Suchmaschinenwerbung, kurz SEA (englisch: Search Engine Advertising) unterschieden. Dieser Beitrag konzentriert sich auf das Thema SEO, da besonders hier lukrative Chancen für Übersetzer bestehen.
Bei der Suchmaschinenoptimierung werden Web-Texte gezielt mit Schlüsselbegriffen versehen, um deren Auffindbarkeit im Internet zu erleichtern. Das ist wichtig für Unternehmen, die ihre Produkte oder Dienste international verkaufen und sich gegen die Konkurrenz im Internet durchsetzen möchten.
Noch vor zehn Jahren folgten SEO-Texte strengen Regeln, was die Platzierung von Schlüsselbegriffen (Keywords) betraf. Es galt zudem, möglichst viele Keywords möglichst oft im Online-Text unterzubringen. Das Ergebnis waren Webseiten, die überladen mit Keywords waren und zwar Suchmaschinen, aber nicht menschliche Leser ansprachen.
Diese Art der Optimierung ist heute ein absolutes No-Go. Suchmaschinen sind bestrebt, Nutzern möglichst relevante Ergebnisse zu liefern – und das sind nicht zwingend die Seiten mit den meisten Keywords. Komplizierte Algorithmen werten die Inhalte jeder einzelnen Seite im Internet nach bestimmten Kriterien aus, wobei Keywords zwar eine Rolle spielen, aber auch Lesbarkeit, Seitenaufbau und viele weitere Aspekte in Betracht gezogen werden. Deshalb ist es wichtig, strategisch optimierte Inhalte ins Netz zu stellen, die dem Leser einen echten Mehrwert bieten. Hier kommen Übersetzer ins Spiel.
Der Optimierungsprozess und die Rolle des Übersetzers
SEO-Übersetzer bieten Content-Lokalisierung und Optimierung aus einer Hand. Das spart Zeit und Geld. Allerdings reicht es nicht, dem Übersetzer eine Liste mit Keywords auszuhändigen mit der Bitte, diese 1:1 zu übersetzen und dann möglichst oft im übersetzten Text unterzubringen. Keywords sind zielgruppenspezifisch und können sich je nach Sprache und Kultur erheblich unterscheiden.
Effektive Keywords müssen den Suchgewohnheiten der Nutzer im Zielland entsprechen. Die Keyword-Übersetzung ist somit eine Form der Adaption. Ein britischer Möbelhersteller verwendet beispielsweise auf seiner Webseite die Produktbezeichnung „widescreen TV cabinet“ für einen Fernsehunterschrank. Die wörtliche Übersetzung ins Deutsche hierfür wäre „Breitbild-TV-Schrank“ – ein eher unüblicher Begriff, der laut dem SEO-Tool Ubersuggest keinerlei Treffer bei Google erzeugt. Die meisten TVs in Deutschland sind heutzutage Breitbildfernseher, sodass diese Spezifikation im alltäglichen Sprachgebrauch unnötig ist. Verbraucher hierzulande würden wohl eher nach einem TV-Schrank (14.800 Suchanfragen pro Monat) oder einem „Fernsehschrank“ (12.100 Suchanfragen pro Monat) suchen.
Noch problematischer wird es, wenn ein Kunde, um Kosten zu sparen, bei den Keywords auf ein Tool wie Google Translate zurückgreift und dem Übersetzer maschinell übersetzte Keywords vorlegt. Paradebeisbiel: Der oben genannte Möbelfabrikant verwendet in der Produktbeschreibung eines Fernsehunterschranks das Wort „TV Unit“. Google Translate übersetzt dies mit „TV-Gerät“ – was wohl kaum dem beabsichtigten Suchzweck entspricht. Auch die wörtliche Übersetzung in „TV-Einheit“ stellt keine gute Wahl für SEO-Zwecke dar: Laut Ubersuggest hat dieser Begriff nur 10 Suchanfragen pro Monat.
Gute SEO-Übersetzer benötigen zumindest ein Grundwissen im Bereich der Keyword-Recherche, sodass sie die Relevanz vorgegebener Keywords prüfen, nützliche Keyword-Variationen identifizieren und ggf. selbst Keywords vorschlagen können. Hierfür reichen kostenlose Tools wie das oben genannte Ubersuggest oder Google Adwords aus und sollten jedem SEO-Übersetzer geläufig sein.
Besonderheiten einer SEO-Übersetzung
Kenntnisse im Bereich der Keyword-Recherche sind nur ein Teil der erforderlichen Kompetenzen eines SEO-Übersetzers. Wichtige Grundkenntnisse sind auch, welche Bestandteile einer Webseite für den Ranking-Erfolg optimiert werden müssen und was bei der Optimierung beachtet werden muss. Darüber hinaus sind texterische Fähigkeiten gefragt, denn letztendlich handelt es sich hierbei um ein Teilgebiet des internationalen Content-Marketings.
Der Text, der letztendlich auf der Webseite erscheint, beeinflusst den SEO-Erfolg nur begrenzt. Wichtiger ist die Optimierung der URL und der sogenannten Meta-Elemente: Meta-Beschreibung, Title-Tags und ALT-Tags. „Solange Sie sicherstellen, dass Ihr Keyword an strategisch wichtigen Stellen platziert ist (wie Überschriften, URL, Meta-Beschreibung), ist es nicht nötig, es x Mal im Text unterzubringen“, erklärt SEO-Guru Neil Patel (Patel/SEO, k.D.). Vielen Kunden ist dies leider nicht bewusst, sodass Übersetzer hier oft Aufklärungsarbeit leisten müssen – sonst kann es vorkommen, dass Reklamationen eingehen, weil ein Text „nicht genug Keywords“ enthält oder eine Seite trotz Optimierung des Textes (nicht aber der Meta-Daten) kein besseres Ranking erzielt.
Außerdem sollten SEO-Übersetzer beachten, dass Suchmaschinen jede Seite einzeln bewerten. Das bedeutet, dass eine Unterseite eines Internetauftritts nur dann ein gutes Ranking erzielt, wenn sie mit spezifischen Keywords versehen ist, die sich klar von anderen Unterseiten abheben. Eine Faustregel lautet: Man kann für ein Keyword einmal gut, oder mehrmals mittelmäßig ranken. Auch das ist vielen Auftraggebern nicht bewusst und sie liefern eine lange Liste mit Keywords, die vom Übersetzer nach Belieben „passend“ in den Text eingebaut werden sollen. Eine bessere Praxis besteht darin, für jede Seite ein primäres und zwei bis drei sekundäre Keywords zu wählen und dann mit Synonymen und verwandten Begriffen das Thema möglichst variantenreich zu bearbeiten.
Der Übersetzungsprozess selbst ist einer Transkreation zu vergleichen, da beim Online-Marketing vor allem die Lesbarkeit und Resonanz beim Leser zählt und kulturelle Nuancen beachtet werden müssen. Texte, die den Leser nicht fesseln, sodass dieser die Seite schnell wieder verlässt, beeinflussen das SEO-Ranking negativ. Der Übersetzer muss unter Umständen Sätze oder gar ganze Absätze umstrukturieren und einen logischen Textfluss garantieren. Bei der Übersetzung von Meta-Elementen sind Zeichenbegrenzungen zu beachten, sodass hier in vielen Fällen erheblich vom Ausgangstext abgewichen werden muss, um relevante Keywords sinnvoll und überzeugend einzuarbeiten.
Die Textqualität wirkt sich nicht nur über die Absprungrate, sondern auch direkt auf das SEO-Ranking aus. Suchmaschinen wollen Nutzern möglichst gute Inhalte bieten – schlechte Texte werden Google nachweislich negativ bewertet. Dabei wird unter anderem die Satzstruktur von der Suchmaschine ausgewertet.
Ein SEO-Übersetzer ist demnach ein Dreifachtalent aus Copywriter, Übersetzer und SEO-Experte. Auch ein gewisses Interesse am technischen Hintergrund von Suchmaschinen ist erforderlich – und der Wille, sich mit dem Gebiet kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Wettbewerbschanchen für SEO-Übersetzer
Wie anfangs bereits erwähnt, gibt es im Moment noch wenige Übersetzer mit überzeugenden SEO-Kompetenzen – und das bei steigendem Bedarf. Für Profis auf diesem Gebiet bedeutet das einen stetigen Auftragsfluss und die Möglichkeit, Premium-Preise zu verlangen. Dabei können sie sich an den Honoraren eines SEO-Texters orientieren. Diese lagen im Jahr 2017 im Agenturbereich zwischen 55 € und 125 € pro Stunde (Taiber/Was, 2017).
Darüber hinaus ist SEO eine Nische, die auch in absehbarer Zukunft noch ein lukratives Standbein für Übersetzer darstellen wird. Die oben aufgeführten Beispiele zeigen, dass Maschinen in Sachen Keyword-Adaption noch lange nicht mit menschlichen Übersetzern gleichzustellen sind, und auch bei der Qualität der übersetzten Texte hat der Mensch noch die Nase vorn. Maschinelle Übersetzungen werden von Google nicht nur erkannt, sondern sogar abgestraft (Negovec/Die, 2015).
Grundlegende SEO-Kenntnisse kann man sich im Internet leicht selbst aneignen. Auf seiner Webseite bietet Neil Patel eine nützliche Schritt-für-Schritt-Anleitung. Auch Webinare, interaktive Online-Kurse (MOOCs) und Podcasts sind zu diesem Thema reichlich vorhanden und besonders geeignet, um auf dem neuesten Stand der SEO-Technik zu bleiben. Ein empfehlenswertes Buch für Einsteiger ist „Guerilla SEO: Do It Yourself für Technikmuffel“ von Christian Schmid und André Boeck.
Da der Bedarf an SEO-Übersetzern derzeit das Angebot noch übersteigt, bieten einige Übersetzungsagenturen auch Training für freie Mitarbeiter an, die hier vielversprechende Talente und ein Interesse zeigen.
Neben Agenturen sind Direktkunden ein lukrativer Markt für SEO-Übersetzer. Um diese anzuwerben, ist eine optimierte Webseite, die eine SEO-Spezialisierung deutlich macht, das A und O. Auch das LinkedIn-Profil eines SEO-Übersetzers sollte relevante Begriffe zu dessen Spezialisierung enthalten, da hier viele Suchen nach SEO-Experten starten.
Wer nicht warten möchte, bis potenzielle Kunden an die Tür klopfen, kann selbst die Initiative ergreifen. Google-Suchen nach „international search engine optimization services“ oder „SEO Übersetzung Agentur“ liefern Treffer für Agenturen, die in diesem Bereich tätig sind und möglicherweise nur darauf warten, von qualifizierten Übersetzern zu hören.
Fazit
SEO-Übersetzung ist eine interessante Nische für Übersetzer mit exzellenten Sprachkenntnissen und texterischen Fähigkeiten, die nicht davor zurückscheuen, mit den technischen Entwicklungen im Bereich der Suchmaschinenoptimierung Schritt zu halten. Wer Spaß am Puzzeln hat, ist in dieser Nische gut aufgehoben, denn die Keywort-Recherche und das nahtlose Einarbeiten der identifizierten Suchbegriffe erfordert kreatives Denken. Der Einstieg in diese Spezialisierung ist mit etwas autodidaktischer Weiterbildung leicht zu bewerkstelligen und lohnt sich angesichts der steigenden Nachfrage, guten Bezahlung und zukunftssicheren Arbeitslage.
Bibliografische Angaben
Negovec, L. (2015): „Die wichtigsten Tipps für eine mehrsprachige Homepage“, auf https://www.impulse.de/management/marketing/lokalisierung-website/2130582.html
Patel, N. (k.D.): „SEO leicht gemacht: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung“, auf https://neilpatel.com/de/seo-leicht-gemacht-eine-schritt-fur-schritt-anleitung/
Taiber, R (2017): „Was kostet SEO? SEO Agentur Preise erklärt“, auf https://neilpatel.com/de/seo-leicht-gemacht-eine-schritt-fur-schritt-anleitung/
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