9. Die Bischöfe Euphrates und Vincentius und der in Antiochien gegen sie unternommene Anschlag
Stephanus, der das Steuerruder der Kirche von Antiochien in Händen hielt und das Schiff dem Untergang entgegenführte, hatte bei seinen verwegenen und gewalttätigen Unternehmungen verschiedene Genossen, mit deren Hilfe er den Anhängern der wahren Lehre mannigfaches Leid zufügte. An der Spitze derselben stand ein gewisser junger Mensch, der einem frechen, übermütigen und zuchtlosen Treiben sich hingab und die Leute nicht nur mit Schimpf und Schande von den öffentlichen Plätzen wegführte, sondern selbst in die Häuser eindrang und ohne alle Rücksicht Männer und Frauen von Rang und Ansehen gewaltsam hinwegschleppte. Um mich jedoch bei der Schlechtigkeit dieses Menschen nicht allzulange aufzuhalten, will ich nur erzählen, was er gegen die besten Männer zu unternehmen gewagt hat. Das wird genügen, um daraus erschließen zu können, welche Gewalttätigkeiten er sich gegen seine Mitbürger erlaubt haben wird.
Derselbe begab sich zu einer öffentlichen Dirne und sagte ihr, soeben seien Fremde gekommen, welche sie für die Nacht begehrten. Sodann nahm er fünfzehn seiner Genossen und verbarg sie in den Gesträuchen am Fuße des Berges. Hierauf brachte er das schlechte Frauenzimmer herbei, gab den Genossen seiner Freveltat das früher vereinbarte Zeichen, und nachdem er sich so ihrer Anwesenheit versichert hatte, trat er an die Hoftüre des Hauses, wo jene Männer eingekehrt waren. Diese fand er geöffnet, er hatte nämlich einen der Dienstboten mit Geld bestochen, daß er sie öffne, führte das Weib hinein, zeigte ihm die Türe des Gemaches, wo der eine Bischof schlief, und forderte es auf, dort einzutreten. Er selbst ging wieder hinaus, um seine Gefährten zu rufen. Zufällig schlief Euphrates, so hieß nämlich der ältere der beiden Bischöfe, in dem vorderen Teil des Hauses, während Vincentius, so hieß der andere Bischof, im inneren Gemache ruhte. Als nun die schlechte Frauensperson innerhalb der Türe war, vernahm Euphrates den Tritt ihrer Füße; und da es finster war, fragte er, wer da gehe. Als hierauf jene anfing zu sprechen, geriet Euphrates in die größte Bestürzung; denn er meinte, es sei ein böser Geist, der die Stimme eines Weibes nachahme. Sofort rief er Christus den Erlöser um seine Hilfe an. Inzwischen war Onagros, so hieß nämlich der Anführer der schlechten Schar, weil er mit Händen und Füßen gegen die Rechtgläubigen ankämpfte1, mit seiner Bande ebenfalls eingedrungen; er schmähte mit lauter Stimme als Gesetzesverächter diejenigen, welche hoffen konnten, Richter von Gesetzesübertretungen zu sein. Es entstand ein großer Lärm, die Diener liefen zusammen, es erhob sich auch Vincentius. Man schloß die Türe des Hofes; so gelang es, sieben von der Bande zu ergreifen, während Onagros mit den anderen entfliehen konnte; doch wurde mit den ersteren auch das Weib gefangen genommen. Gegen Morgen weckten die Bischöfe den mit ihnen gekommenen General und begaben sich (mit demselben) zum Palast des Kaisers. Dort führten sie laute Klage über die Verwegenheit des Stephanus und erklärten, sein Verbrechen bedürfe weder einer gerichtlichen Verhandlung noch einer Untersuchung. Ganz besonders aber klagte der General, der an den Kaiser die dringende Bitte richtete, dieses unsittliche Attentat nicht auf einer Synode, sondern durch das weltliche Gericht aburteilen zu lassen. Er erklärte sich bereit, die Kleriker seiner Bischöfe zuerst foltern zu lassen, nur müßten dann auch die Diener des Stephanus derselben Pein unterzogen werden. Dieser aber widersetzte sich dem mit aller Entschiedenheit und behauptete, Kleriker dürften nicht gegeißelt werden. Da beschlossen der Kaiser und die Behörden, die Untersuchung der Angelegenheit drinnen im kaiserlichen Palast vornehmen zu lassen. Zuerst fragte man nun das Weib, wer sie zur Herberge der Bischöfe geführt habe. Sie erzählte, daß ein gewisser junger Mann zu ihr gekommen sei und ihr die Ankunft und den Wunsch der Fremden bekannt gegeben habe, daß derselbe am Abend wieder gekommen sei und sie zur Herberge geleitet habe, daß er dann seine im Versteck liegende Rotte aufgesucht und gefunden, durch die Hoftüre eingeführt und aufgefordert habe, in den vorderen Teil des Hauses einzutreten. Außerdem berichtete sie noch über die Frage des Bischofs, seine Bestürzung und sein Gebet und über den Angriff der eingedrungenen Bande.
10. Die Absetzung des Stephanus
Nachdem die Richter dieses vernommen hatten, ließen sie den jüngsten der Gefangenen vorführen. Dieser wartete das Zwangsmittel der Geißelung gar nicht ab, sondern deckte von selbst den ganzen ruchlosen Plan auf und gestand, daß dieses alles von Onagros ins Werk gesetzt worden sei. Darauf wurde dieser letztere herbeigeführt; er bekannte, daß Stephanus dazu den Auftrag gegeben habe.
Nachdem man auf solche Weise die Schlechtigkeit des Stephanus kennen gelernt hatte, trug man den gerade anwesenden Bischöfen auf, ihn abzusetzen, worauf man ihn aus der Kirche vertrieb. Doch wurde dadurch die Kirche vom Gift des Arianismus nicht gänzlich befreit. Denn nach jenem erhielt den bischöflichen Stuhl Leontius, der seiner Abstammung nach ein Phrygier, seiner Gesinnung nach aber heimtückisch war, wie die verborgenen Klippen des Meeres. Doch werde ich von diesem Manne etwas später handeln.
Damals nun richtete Konstantius, nachdem er die Umtriebe gegen die Bischöfe aus eigener Erfahrung kennen gelernt hatte, an den großen Athanasius einmal, zweimal und selbst ein drittes Mal Briefe, worin er ihn einlud, aus dem Abendlande wieder zurückzukehren. Ich will den mittleren dieser Briefe, der kurz ist, meiner Erzählung einfügen.
11. Der Brief des Konstantius an Athanasius
„Konstantius, der Siegreiche, Augustus, dem Athanasius.
Obschon wir Dir in unserem früheren Schreiben auf das Deutlichste zu erkennen gegeben haben, daß Du ohne alle Sorge zu unserem Gefolge kommen mögest, weil es unser ernstester Wille ist, Dich in Deine Heimat zurückzusenden, so richten wir doch auch jetzt wieder dieses Schreiben an Deine Hochwürden und laden Dich durch dasselbe ein, ohne alles Mißtrauen und ohne Furcht die staatlichen Postwagen zu besteigen und zu uns zu eilen, damit Du zur Erfüllung Deiner Wünsche gelangen kannst.“
12. Zweite Rückkehr des heiligen Athanasius1
Als Athanasius daraufhin zurückkehrte, nahm ihn der Kaiser wohlwollend auf und wies ihn an, sich wieder zur Kirche von Alexandrien zurückzubegeben. Aber die Persönlichkeiten, welche damals auf den Kaiser den größten Einfluß hatten, waren von der Krankheit des Arianismus angesteckt und meinten, Athanasius solle eine von den Kirchen denjenigen überlassen, welche mit ihm keine Gemeinschaft haben wollten. Solches sagten sie zum Kaiser, der Kaiser aber sagte es zu Athanasius. Dieser erwiderte, es sei billig, den Befehlen des Kaisers zu gehorchen, doch möchte auch er ihm eine Bitte vortragen. Als nun der Kaiser versprach, er wolle bereitwillig gewähren, um was immer er bitten würde, da entgegnete Athanasius, auch diejenigen, welche in Antiochien mit den im Besitze der Kirchen Befindlichen keine Gemeinschaft haben wollten, bedürften eines gottesdienstlichen Gebäudes, und es sei billig, daß auch diesen eines der Gotteshäuser übergeben werde. Der Kaiser stimmte zu, bestätigend, daß die Forderung recht und billig sei, aber die Führer der häretischen Gemeinschaft widersprachen und erklärten, es sollten dann keiner der beiden Parteien Kirchen ausgeliefert werden. Konstantius aber ward von Bewunderung für Athanasius erfüllt und entließ ihn nach Alexandrien. Dort war inzwischen Gregorius gestorben; er war von seinen eigenen Leuten ermordet worden. Als die Alexandriner ihren Hirten wieder sahen, veranstalteten sie öffentliche Volksgelage und glänzende Feste zu seiner Ehrung und zum Lobe Gottes.
Kurze Zeit darauf schied Konstans aus dem Leben.
13. Dritte Verbannung und Flucht des Athanasius2.
Diejenigen, welche den Konstantius nach ihrem Belieben lenkten, riefen ihm jetzt ins Gedächtnis zurück, wie er um des Athanasius willen mit seinem Bruder in Zwist geraten sei und wie sie beinahe die Bande der Natur zerrissen und Krieg gegeneinander begonnen hätten. Hierdurch erbittert, befahl Konstantius nicht etwa nur, den heiligen Athanasius zu verbannen, sondern sogar ihn zu töten. Er sandte einen gewissen Sebastianus als Anführer mit einer sehr großen Heeresmacht und mit dem Befehle, ihn umzubringen wie einen Verbrecher. Wie dieser hierbei zu Werke ging und wie jener durch die Flucht sich entzog, wird derjenige, der dieses erlitten hat und wider Erwarten gerettet wurde, selbst am besten zu erzählen wissen. In der Apologie seiner Flucht berichtet er nämlich folgendes1:
„Mögen sie gleichwohl auch die Art und Weise meiner Flucht ins Auge fassen und mögen sie sich dieselbe erzählen lassen von ihren eigenen Leuten! Denn es waren Arianer, die mit den Soldaten mitliefen, um sie anzutreiben und uns denen zu zeigen, die uns nicht kannten. Und wenn sie vielleicht auch eben deswegen teilnahmslos sind, so mögen sie uns doch wenigstens aus Scham ruhig anhören! Schon war nämlich die Nacht angebrochen, und einige aus dem Volke wollten sie durchwachen in Erwartung der gottesdienstlichen Feier. Da erschien plötzlich der Befehlshaber mit mehr als fünftausend Soldaten, welche Waffen, entblößte Schwerter, Bogen, Pfeile und Keulen mit sich führten, wie schon früher gesagt worden ist. Er umzingelte die Kirche und stellte die Soldaten so dicht nebeneinander, daß ihnen niemand, der aus der Kirche herauskam, entgehen konnte. Ich hielt es aber für unpassend, in einer so großen Verwirrung das Volk zu verlassen und nicht vielmehr an seiner Spitze die Gefahr zu bestehen; daher blieb ich auf dem Thronsessel und befahl dem Diakon, einen Psalm zu lesen2, das Volk aber sollte antworten: „Denn seine Barmherzigkeit währet in Ewigkeit.“ Dann sollten sich alle entfernen und nach Hause gehen. Als aber endlich der Heerführer in die Kirche eindrang und die Soldaten den Chor umstellten, um uns gefangen zu nehmen, da fingen die anwesenden Kleriker und das Volk an zu rufen und uns aufzufordern, daß nun auch wir uns entfernen sollten. Ich aber erklärte dagegen mit noch größerer Entschiedenheit, daß ich mich nicht eher entfernen würde, bis alle anderen der Reihe nach fortgegangen wären. Ich stand also auf, befahl zu beten und forderte alle miteinander auf, währenddessen die Kirche zu verlassen, denn, so sagte ich, es ist besser, wenn ich in Gefahr gerate, als daß irgendjemand von Euch zu Schaden komme. Nachdem nun die meisten schon hinausgegangen waren, während die übrigen folgten, kamen die dort bei uns befindlichen Mönche und einige von den Klerikern zu uns hinauf und rissen uns mit sich fort. So entkamen wir, die Wahrheit ist uns Zeuge, während die Soldaten teils den Chor umstanden, teils die Kirche umzingelten, da der Herr uns führte und schützte; wir entgingen unbemerkt ihren Händen und lobten und priesen gerade Gott gar sehr dafür, daß wir einerseits das Volk nicht preisgegeben, sondern vor uns entlassen hatten, und daß wir andrerseits doch Rettung zu finden und den Händen derer, die uns suchten, zu entrinnen vermocht hatten.“
14. Georgius und seine in Alexandrien verübten Freveltaten
„Nachdem so Athanasius ihren blutdürstigen Händen entronnen war, wurde Georgius, ein zweiter Wolf, mit der Leitung jener Herde betraut; aber er behandelte die Schafe grausamer wie ein Wolf oder Bär oder Panther. Er zwang nämlich die Jungfrauen, welche lebenslängliche Keuschheit gelobt hatten, nicht nur die Gemeinschaft mit Athanasius aufzugeben, sondern auch den Glauben der Väter zu verwerfen. Als Gehilfen seiner Grausamkeit benützte er einen gewissen Sebastianus, Vorstand der militärischen Aushebungskommission, der mitten in der Stadt einen Scheiterhaufen anzünden ließ und die Jungfrauen unbekleidet neben demselben aufstellte und aufforderte, den Glauben zu verleugnen. Diese jedoch, ein zugleich trauriges und mitleiderregendes Schauspiel bietend für Gläubige und Ungläubige, hielten die äußerste Schmach für die größte Ehre und erduldeten die für den Glauben empfangenen Geißelstreiche mit freudigem Herzen. Jedoch wird auch dieses am anschaulichsten ihr eigener Hirte darzustellen vermögen1.
„Nachdem sodann in der Fastenzeit der von ihnen gesandte Georg aus Kappadozien angekommen war, häufte er die Freveltaten, die er von ihnen gelernt hatte. Nach der Osterwoche wurden Jungfrauen ins Gefängnis geworfen, Bischöfe von Soldaten in Fesseln abgeführt, die Häuser von Witwen und Waisen geplündert, Raubzüge und Überfälle auf andere Häuser unternommen und Christen zur Nachtzeit hinweggeführt; es wurden Häuser versiegelt, und Brüder von Geistlichen gerieten um ihrer Brüder willen in große Gefahr. Ist dieses schon schrecklich, so ist noch schrecklicher, was sie später zu verüben wagten. In der Woche nach dem heiligen Pfingstfeste begab sich das Volk, als das Fasten zu Ende ging, auf den Friedhof, um zu beten, weil alle die Gemeinschaft mit Georgius verabscheuten. Als nun dieser schlechte Mensch das erfuhr, stachelte er den Befehlshaber Sebastian, einen Manichäer, auf, und so machte dieser endlich mit einer Schar Soldaten, welche Waffen, entblößte Schwerter, Bogen und Pfeile, mit sich führten, gerade am Sonntag einen Angriff auf das Volk. Er traf nur mehr wenige Beter an, denn die meisten hatten sich wegen der vorgerückten Zeit bereits entfernt; aber nun verübte er solche Greueltaten, wie sie nur derjenige vollführen konnte, der sie von jenen gehört und gelernt hatte. Er ließ nämlich einen Scheiterhaufen anzünden, führte die Jungfrauen an das Feuer und wollte sie zwingen, zu bekennen, daß sie den Glauben des Arius hätten. Als er aber sah, daß sie standhaft blieben, da ließ er sie schließlich entblößen und so heftig in das Gesicht schlagen, daß sie noch längere Zeit hernach kaum zu erkennen waren. Er ließ ferner vierzig Männer, die er in seine Gewalt bekommen hatte, auf eine ganz neue Art und Weise durchhauen. Er ließ nämlich frische Ruten von den Palmen schneiden, an denen noch die Stacheln waren, und damit jenen den Rücken so zerfleischen, daß einige derselben wiederholt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten, weil sich die Stacheln in ihrem Fleische festgesetzt hatten, während andere, die so große Qualen nicht zu ertragen vermochten, darüber ihren Geist aufgaben. Alle aber, die am Leben blieben, verbannten sie zumal und zugleich mit den Jungfrauen nach der großen Oase. Ja nicht einmal die Leichname der Verstorbenen ließen sie anfangs ihren Angehörigen übergeben (zur Bestattung), sondern verbargen dieselben nach ihrem Belieben, indem sie dieselben unbeerdigt irgendwo hinwarfen, weil sie glaubten, daß auf diese Weise ihre so große Grausamkeit verborgen bleiben würde. Solches aber tun diese törichten Menschen, weil sie sich in ihrer Berechnung (über die Wirkung ihrer Handlungsweise) täuschen. Da nämlich die Angehörigen der Verstorbenen über deren Bekenntnis zwar erfreut, wegen der Nichtauslieferung der Leichname aber betrübt waren, verbreitete sich der Ruf von diesem Beweis ihrer Grausamkeit nur um so weiter. Sie verbannten nämlich auch sofort aus Ägypten und Libyen mehrere Bischöfe, Ammonius, Mujus, Gajus, Philon, Hermes, Plenius, Psenosiris, Neilammon, Agathus, Anagamphus, Markus, einen anderen Ammonius, einen anderen Markus, Drakontius, Adelphius, Athenodorus und die Priester Hierax und Dioskurus. Und zwar vertrieben sie dieselben mit solcher Rücksichtslosigkeit, daß einige von ihnen auf dem Wege, andere in der Verbannung selbst den Tod erlitten. Sie verbannten so mehr als dreißig Bischöfe. Es trieb sie nämlich wie den Achab die Sucht, die Wahrheit, wenn möglich, ganz auszurotten.“
Und in seinem Trostschreiben an jene Jungfrauen, welche diese schweren Verfolgungen erduldet hatten, sagt Athanasius unter anderem folgendes:
„Darum möge keine von Euch sich übermäßig betrüben, wenn auch die Gottlosen Euch das Begräbnis mißgönnen und die Bestattung verhindern! Soweit hat sich nämlich die Verfolgungswut der Arianer verstiegen: sie verschließen die Tore und sitzen auf den Grabdenkmälern herum wie Dämonen, damit ja von den Verstorbenen niemand beigesetzt werden könne.“
Solches und Ähnliches verübte also Georgius in Alexandrien. Der heilige Athanasius aber konnte keinen Ort für hinreichend sicher halten, da der Kaiser befohlen hatte, ihn entweder lebendig vorzuführen oder ihm das Haupt des Toten zu bringen, und da er für die Ausführung dieses Befehls einen sehr hohen Lohn ausgesetzt hatte.
15. Die Synode in Mailand1
Als nach dem Tode des Konstans Magnentius sich der Herrschaft über das Abendland bemächtigt hatte, brach Konstantius selbst nach Europa auf, um gegen den Usurpator zu Felde zu ziehen2. Aber selbst dieser schwierige Krieg setzte dem Krieg gegen die Kirchen kein Ziel. Man überredete nämlich den Kaiser, der sich leicht für alles gewinnen ließ und bereits das Gift der Häresie in sich aufgenommen hatte, nach Mailand, einer Stadt Italiens, eine Synode zu berufen und zuerst alle, die da zusammenkommen würden, zu zwingen, der in Tyrus von jenen ungerechten Richtern ausgesprochenen Absetzung beizupflichten, dann aber, wenn auf diese Weise Athanasius aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen wäre, ein neues Glaubensbekenntnis aufzustellen. Allein die Bischöfe kamen zwar auf das kaiserliche Schreiben hin zusammen, wollten aber weder das eine noch das andere tun, sondern machten dem Kaiser ins Gesicht hinein geradezu den Vorwurf, daß er Ungerechtes und Gottloses von ihnen verlange, und wurden daraufhin von ihren Kirchen vertrieben und zur Verbannung an die äußersten Grenzen der Erde verurteilt. Auch dieses hat wieder der bewunderungswürdige Athanasius in seiner schon genannten Apologie3 uns aufgezeichnet.
„Wer könnte das alles erwähnen, was jene getan haben? Die Kirchen erfreuten sich seit kurzem wieder des Friedens, und das Volk betete bei den gottesdienstlichen Versammlungen; da wurden der Bischof von Rom, Liberius, und Paulinus, der Bischof der Metropole Galliens, Dionysius von der Metropole Italiens, Lucifer von der Metropole der sardinischen Inseln und Eusebius aus Italien1, lauter gute Bischöfe und Herolde der Wahrheit, ergriffen und in die Verbannung geführt, und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie der arianischen Häresie nicht beipflichten und die verleumderischen Anklagen, welche die Arianer gegen uns erhoben, nicht unterschreiben wollten. Von dem großen und hochbetagten Bekenner Hosius, der in Wahrheit ein Hosius (das heißt ein Heiliger) war, ist es überflüssig, auch nur ein Wort zu sagen; denn sonder Zweifel ist es allen bekannt geworden, daß sie auch dessen Verbannung durchgesetzt haben. Dieser ehrwürdige Greis ist ja nicht unbekannt, sondern weitaus der berühmteste von allen. Auf welcher Synode hätte er nicht den Vorsitz geführt und durch seine zutreffenden Worte alle überzeugt? Welche Kirche bewahrt nicht die schönsten Erinnerungen an seine Hirtensorge? Wer wäre jemals traurig zu ihm gekommen und nicht freudig von ihm weggegangen? Wer hätte sich jemals mit einer Bitte an ihn gewandt und hätte sich entfernt, ohne erlangt zu haben, was er wünschte? Und dennoch haben sie sich auch an diesen Mann herangewagt, weil auch er, ihre gottlosen Verleumdungen klar durchschauend, ihre Anschläge gegen uns nicht unterzeichnen wollte.“
Was man sich also gegen jene heiligen Männer alles erlaubte, zeigt uns die vorstehende Schilderung. Wie viel Schlimmes aber die Anführer der arianischen Sekte sehr vielen anderen zugefügt haben, auch das erzählt uns derselbe heilige Mann in der gleichen Schrift2.
„Wen haben sie nicht, wenn sie ihn verfolgt und ergriffen hatten, nach Laune und Willkür mißhandelt? Wen haben sie nicht, nachdem sie ihn gesucht und gefunden hatten, so übel zugerichtet, daß er entweder elend sterben oder doch an allen Gliedern Schaden nehmen mußte? Denn was man sonst die Richter tun sieht, das vollziehen jetzt diese, ja noch mehr, erstere sind die Diener ihres Willens und ihrer Schlechtigkeit. Wo ist ein Ort, der nicht irgendein Erinnerungszeichen ihrer Bosheit aufzuweisen hätte? Welche Andersgesinnten haben sie nicht zugrunde gerichtet, und zwar unter erlogenen Vorwänden nach Art der Jezabel? Welche Kirche ist nicht in Trauer infolge ihrer Nachstellungen und Verfolgungen? Antiochien trauert um den rechtgläubigen Bekenner Eustathius, Balaneä um Euphration, Paltos und Antarados um Kymatius und Karterius, Adrianopel um Eutropius, den Freund Christi, und um dessen Nachfolger Lucius, der oftmals von ihnen in Ketten gelegt und so zu Tode gemartert worden ist, Ancyra trauert um Marcellus, Beröa um Cyrus, Gaza um Asklepas3. Diese alle haben jene hinterlistigen Menschen zuerst vielfach mißhandelt und dann auch noch in die Verbannung schicken lassen. Dem Theodulus und Olympius, beide aus Thrazien, sowie uns und unseren Priestern ließen sie so eifrig nachspüren, daß es uns, wären wir gefunden worden, den Kopf gekostet hätte, und wir wären wohl so dem Tode verfallen gewesen, wenn wir ihnen nicht wider Erwarten auch damals entronnen wären. So lauten nämlich die Schreiben, welche in Betreff des Olympius an den Prokonsul Donatus und unsertwegen an Philagrius gerichtet wurden.“
Dieses waren also die verwegenen Unternehmungen jener gottlosen Partei gegen die heiligen Männer. Der genannte Hosius aber war Bischof von Corduba. Er hatte sich schon auf der großen Synode zu Nizäa ausgezeichnet und auf der Versammlung zu Sardika den Vorsitz geführt.
Ich will nunmehr die freimütige Verteidigung der Wahrheit durch den berühmten Liberius und die bewunderungswürdigen Worte, die er an Konstantius richtete, in meine Erzählung aufnehmen. Dieselben sind nämlich von gottliebenden Männern der damaligen Zeit aufgezeichnet worden, weil sie geeignet sind, bei den Freunden göttlicher Dinge den Eifer zu wecken und zu fördern. Liberius leitete die römische Kirche nach Julius, dem Nachfolger des Silvester1.
16. Unterredung des Kaisers Konstantius mit dem römischen Bischof Liberius
Der Kaiser Konstantius sagte: „Da du ein Christ bist und der Bischof unserer Stadt, so hätten wir es für billig gehalten, daß du dem ruchlosen Wahnsinn des unseligen Athanasius die Gemeinschaft aufkündigest, und wir haben dich rufen lassen, um dir dieses dringend ans Herz zu legen. Denn der ganze Erdkreis hat entschieden, daß dieses am Platze sei, und hat ihn durch gemeinsamen Beschluß als nicht mehr zur kirchlichen Gemeinschaft gehörig erklärt.“
Der Bischof Liberius sagte: „O Kaiser! Die kirchlichen Urteile müssen mit sorgfältiger Gerechtigkeit gefällt werden. Wenn es daher deinem frommen Sinn gefällt, so befiehl, daß ein Gericht zusammengesetzt werde; und wenn alsdann Athanasius der Verurteilung würdig erscheinen sollte, dann soll das Urteil gegen ihn nach den Normen des kirchlichen Prozeßverfahrens gefällt werden; denn es geht nicht an, einen Mann zu verurteilen, über den wir nicht (ordnungsgemäß) Gericht gehalten haben.“
Der Kaiser Konstantius sagte: „Der ganze Erdkreis hat über seine Ruchlosigkeit geurteilt, aber wie von Anfang an spottet er nur über die öffentliche Meinung.“
Der Bischof Liberius sagte: „Alle, die unterschrieben haben, waren nicht Augenzeugen des Geschehenen, sondern sie unterzeichneten nur aus Rücksicht auf Ehre, aus Furcht und aus Angst vor deiner Ungnade.“
Der Kaiser: „Was soll mit Ehre, Furcht und Ungnade gesagt sein?“
Liberius: „Alle, welche die Ehre vor Gott nicht achten, haben deine Ehrenbezeigungen höher geschätzt und deshalb denjenigen, den sie mit eigenen Augen gar nicht sahen, ohne ordentliches gerichtliches Verfahren verurteilt, was bei Christen nicht vorkommen sollte.“
Der Kaiser: „Er ist aber doch in seiner Gegenwart gerichtet worden auf der Synode zu Tyrus, und alle Bischöfe des Erdkreises haben auf dieser Synode ihn verurteilt.“
Liberius: „Er ist noch niemals in seiner Gegenwart gerichtet worden. Denn alle, die damals sich eingefunden und ihn verurteilt haben, haben diese Verurteilung erst ausgesprochen, nachdem Athanasius aus dem Gerichtssaal sich entfernt hatte.“
Der Eunuch Eusebius sagte: „Auf der Synode zu Nizäa wurde ihm nachgewiesen, daß er vom katholischen Glauben abgewichen sei1.“
Liberius: „Nur fünf von den Bischöfen, welche mit ihm2 in die Mareotis gesegelt waren, haben ihr Urteil abgegeben. Man hatte sie dorthin geschickt, um über den Gegenstand der Anklage eine Denkschrift gegen ihn zu verfassen. Von diesen Abgesandten sind zwei bereits gestorben, Theogonius und Theodorus, die übrigen drei sind noch am Leben, nämlich Maris, Valens und Ursacius3. Zu Sardika verlangte man nun von diesen Abgesandten eine Erklärung wegen dieser Angelegenheit. Daraufhin reichten sie auf der Synode eine Schrift ein, worin sie wegen der in der Mareotis gegen Athanasius im Parteiinteresse verfaßten verleumderischen Denkschrift um Verzeihung baten. Diese ihre Schrift haben wir jetzt in unseren Händen4. Mit welchen von diesen beiden sollen wir nun, o Kaiser, uns bewegen lassen, Gemeinschaft zu halten, mit denen, die früher den Athanasius verurteilt und später um Verzeihung gebeten haben, oder mit denen, die nun über die eben genannten ein verdammendes Urteil gesprochen haben?“
Der Bischof Epiktetus sagte: „O Kaiser! Nicht um des Glaubens willen und nicht im Interesse der kirchlichen Rechtsprechung führt Liberius heute das Wort, sondern um vor den Senatoren in Rom sich rühmen zu können, daß er den Kaiser mit seiner Beweisführung bekehrt habe.“
Der Kaiser sagte zu Liberius: „Der wievielste Teil des Erdkreises bist du denn, daß du allein einem unseligen Menschen anhängst und den Frieden des Erdkreises und der ganzen Welt störst?“
Liberius: „Wenn ich auch allein bin, so verliert dadurch die Sache des Glaubens nichts an Wert. Denn auch im Alten Bunde fanden sich nur drei, die dem Befehle (des Königs) Widerstand leisteten.“
Der Eunuch Eusebius sagte: „Du machst so unseren Kaiser zum Nabuchodonosor.“
Liberius: „Keineswegs; aber so wie du es machst, verurteilst du grundlos einen Mann, über den wir nicht gerichtet haben. Dagegen verlange ich, daß zuerst eine allgemeine Unterschrift stattfinde zur Bestätigung des nizänischen Glaubensbekenntnisses, dann sollen unsere Brüder aus der Verbannung zurückgerufen und ihren Sitzen wiedergegeben werden, und wenn sich dann zeigen sollte, daß diejenigen, die jetzt Verwirrung in den Kirchen hervorrufen, mit dem apostolischen Glauben übereinstimmen, dann wollen wir alle nach Alexandrien kommen, wo der Angeklagte und die Kläger und der Verteidiger der letzteren sich befinden, und miteinander ihre Sache untersuchen und nach allen Seiten hin betrachten.“
Der Bischof Epiktetus sagte: „Aber das ganze öffentliche Fuhrwesen wird nicht genügen für eine solche Wanderung der Bischöfe.“
Liberius: „Die kirchlichen Angelegenheiten bedürfen des öffentlichen Fuhrwesens nicht. Die Kirchen sind aus sich selbst imstande, ihre Bischöfe bis an das Meer zu befördern.“
Der Kaiser: „Was schon rechtskräftig geworden ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden; das Urteil der Mehrheit der Bischöfe muß aufrecht erhalten werden. Du allein bist es, der an der Freundschaft jenes ruchlosen Menschen noch festhält.“
Liberius sagte: „Wir haben, o Kaiser, noch niemals gehört, daß ein Richter einen Angeklagten in dessen Abwesenheit der Ruchlosigkeit bezichtigt und so seine persönliche Feindschaft gegen denselben zum Ausdruck gebracht hätte.“
Der Kaiser: „Alle miteinander hat er beleidigt, aber niemand so wie mich. Nicht zufrieden mit dem Untergang meines älteren Bruders, hat er auch nicht aufgehört, den Konstans seligen Andenkens zur Feindschaft gegen uns aufzureizen, nur daß wir das große Drängen des Aufreizenden und Aufgereizten mit noch größerer Sanftmut ertrugen. Kein Erfolg aber gewährt mir solche Befriedigung, nicht einmal der Sieg über Magnentius und Silvanus, wie die Entfernung dieses verruchten Menschen von den kirchlichen Geschäften.“
Liberius: „Wolle, o Kaiser, deine Rachsucht nicht durch die Bischöfe befriedigen! Denn die Hände der Diener der Kirche müssen der Heiligung obliegen. Wenn es dir darum gefällt, so befiehl, daß die Bischöfe auf ihre Sitze zurückgerufen werden. Und wenn sich dann zeigen sollte, daß sie mit dem heutigen Verteidiger des zu Nizäa aufgestellten rechtgläubigen Bekenntnisses übereinstimmen, dann möge man an einem Orte zusammenkommen und für den Frieden der Welt Sorge tragen, damit nicht die Brandmarkung eines Mannes gebilligt wird, der nichts verbrochen hat.“
Der Kaiser: „Es handelt sich nur um eine Frage. Ich will dich wieder nach Rom zurückschicken, aber nur, wenn du zuvor mit den Kirchen in Gemeinschaft trittst. So laß dich denn um des Friedens willen erweichen, unterschreibe und kehre zurück nach Rom!“
Liberius: „Ich habe den Brüdern in Rom bereits Lebewohl gesagt. Denn höher stehen die kirchlichen Satzungen als der Aufenthalt in Rom.“
Der Kaiser: „Nun, du hast drei Tage Zeit zur Überlegung; wenn du willst, magst du unterschreiben und nach Rom zurückkehren; wenn nicht, dann magst du darüber nachdenken, an welchen Ort du gebracht werden willst.“
Liberius: „Die Bedenkzeit von drei Tagen wird an meinem Entschluß nichts ändern; schicke mich also, wohin du willst1!“
Als Liberius nach zwei Tagen neuerdings gefragt wurde und seinen Entschluß nicht geändert hatte, gab der Kaiser den Befehl, ihn nach Beröa in Thrazien zu verbannen.
Nachdem Liberius hinausgegangen war, schickte ihm der Kaiser fünfhundert Goldstücke zur Deckung seiner Kosten. Liberius aber sprach zum Überbringer: „Gehe, und gib das Geld dem Kaiser zurück; denn er hat es nötig für seine Soldaten.“ Ebenso schickte ihm die Kaiserin die gleiche Summe. Liberius aber sagte: „Gib auch das dem Kaiser wieder; denn er hat es nötig für die Ausrüstung seiner Soldaten. Sollte aber der Kaiser dessen nicht bedürfen, so möge er es dem Auxentius und Epiktetus geben; denn diese brauchen es.“ Da er also von diesen kein Geld annahm, brachte ihm der Eunuch Eusebius ein anderes. Liberius aber sprach zu ihm: „Du hast die Kirchen des Erdkreises ausgeplündert und willst mir wie einem Verurteilten ein Almosen bringen? Gehe und werde zuerst ein Christ!“ Nach drei Tagen nun wurde Liberius, ohne etwas angenommen zu haben, in die Verbannung geschickt.
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