Ein Fazit mit einem groβen Fragezeichen




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Sana26.06.2021
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Ein Fazit mit einem groβen Fragezeichen

Neuanfang oder Schwanengesang sind mit einem Fragezeichen versehene Stichwörter. Die dargestellte aktuelle Situation führt dazu, dass ich immer mehr zweifle. Meine optimistische Schlussfolgerung abgeleitet von der Entwicklung des Religionsjournalismus während der letzten zehn bis fünfzehn Jahre leidet unter der Unsicherheit, die durch die überdimensionierte Medienaufmerksamkeit gegenüber den Missbrauchsfällen ausgelöst wurde, die letztendlich auch die Niederlande erreichten. Ich bin mir bewusst, wie stark Kirchen und soziale Bewegungen von „der Gunst“ der Mitarbeiter von Massenmedien und deren öffentlichen Auftritten (performance) sowie von deren Publikumswahrnehmung abhängig sind und wie wichtig ihre Glaubwürdigkeit in Kombination mit ihrer „Leistung“ für die Gesellschaft und nicht nur für individuelle Gläubiger oder Anhänger geworden ist. Da die journalistische Unabhängigkeit bei Printmedien und Rundfunkorganisationen ohne Vorbehalt respektiert werden muss, haben Kirchenführer meist nur Zugang zu den Massenmedien, wenn die unabhängigen Journalisten in ihrer Rolle als Schleusenwärter (gatekeeper in der Kommunikationstheorie) das ermöglichen. Kirchliche Kommunikationsberater sind in der Lage oder sollen in der Lage sein Medientüren zu öffnen – beispielsweise um ihre Schuld zu bekennen statt einen Verteidigungsversuch zu unternehmen oder ähnliches. Mit stellvertretender Scham las (Zeitungen und Zeitschriften), hörte (Rundfunk und Gespräche unter Freunden oder Bekannten) und sah (Fernsehen) man als Katholik, wie schwer sich die eigene Kirche dabei tut, auβerhalb der Gottesdienste zu knien. Zugegeben; Es tat manchmal auch weh zu sehen wie Journalisten versuchten, den Papst oder Bischöfe unbarmherzig in die Knien zu zwingen.

Nachdem die Missbrauchsfälle in verschiedenen Kontinenten aufgedeckt waren, hätten Bischöfe die Pfarreien aufrufen können, mit Ritualen Kollektivschuld zu bekennen und eine Versöhnung vorzubereiten. Als Hüter des Schatzes an Ritualen und Gebeten, mit ihren Erfahrungskenntnissen aus Jahrhunderten hätten sie sich mehr einfallen lassen können als die Ankündigung, eine Untersuchungskommission mit der Vorarbeit zu beantragen.44 Die Bischofskonferenz hätte bereits 2009 oder 2010 einen nationalen Buβdienst in der Karwoche und Gottesdienstgebete zur Osterzeit anregen und zur Verfügung stellen können.

So mancher Pfarrer entwickelte dabei Eigeninitiative. Ihnen ist zu verdanken, dass nicht verschwiegen wurde, was die Kirchgänger so sehr beschäftigte. Nur ein Bischof der sieben Bischöfe in den Niederlanden, namentlich Jos Punt vom Bistum Haarlem-Amsterdam, schickte den Gläubigen recht bald, nämlich für das Wochenende vom 13. und 14. März 2010, einen Brief. Diese Initiative kam nicht nur bei den Gläubigen, sondern auch in den Medien gut an. Als Erstreaktion wäre ein Hirtenbrief aller Bischöfe wünschenswert gewesen. Der Medienbischof Franz Wiertz vom Bistum Roermond benutzte seine Rubrik „Keerpunt“, die damals in allen Gratisanzeigern der Provinz Limburg erschien, am 16. und am 23. März 2010 für ein wohlgemeintes und gut formuliertes mea culpa. Diese beiden kleinen lateinischen Wörter tragen zweifelsohne eine große Aussage und könnten für einen guten Neubeginn stehen.


[FüR DAS AUTORENVERZEICHNIS:]
Univ.-Prof. Dr. Joan Hemels ist seit 2009 emeritierter Professor für Kommunikationswissenschaft, insbesondere Kommunikationsgeschichte, in der Fakultät der Gesellschafts- und Verhaltenswissenschaften der Universiteit van Amsterdam in den Niederlanden und seit 2008 Gastprofessor-emeritus für Allgemeine Kommunikationswissenschaft in der Fakultät der Sozialwissenschaften der Universiteit Antwerpen, Belgien. Seit 2009 ist er honorary fellow des Forschungsinstituts “The Amsterdam School of Communication Research” (ASCoR) der erwähnten Universität in Amsterdam.

Seine Abschiedsvorlesung beschäftige sich mit der Subventionierung -seitens der Doppeltmonarchie Österreich-Ungarn- eines international operierendes Nachrichtenbüros im Regierungszentrum der neutralen Niederlande während des Ersten Weltkriegs. Der Text erschien, überarbeitet und erweitert mit biografischen und bibliografischen Beiträgen, als Buchveröffentlichung (Joan Hemels, Een journalistiek geheim ontsluierd. De Dubbelmonarchie en een geval van dubbele moraal in de Nederlandse pers tijdens de Eerste Wereldoorlog, Apeldoorn/Antwerpen: Spinhuis Uitgevers, 2010.)


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