|
Text aus: Des Bischofs Theodoret von Cyrus Kirchengeschichte / aus dem Griechischen übers und mit Einl und Anmerkungen versehen von Andreas Seider.
|
bet | 20/173 | Sana | 07.04.2017 | Hajmi | 1,24 Mb. | | #3396 |
19. Die Kaiserin Placilla
Der Kaiser besaß indessen noch eine andere Hilfe, die ihm von großem Nutzen war. Seine Gemahlin nämlich erinnerte ihn fortwährend an die göttlichen Gebote, nachdem sie sich selbst zuerst genau mit denselben vertraut gemacht hatte. Denn die Macht der kaiserlichen Würde verleitete sie nicht zum Hochmut, sondern entflammte noch mehr ihr Verlangen nach Gott, indem die Größe der Wohltat ihre Liebe zum Wohltäter nur noch steigerte. So trug sie zum Beispiel für die körperlich Verstümmelten und an allen Gliedern Beschädigten mannigfaltige Sorge, und sie bediente sich dazu nicht etwa der Hilfe ihrer Dienerschaft oder der Leibwache, sondern sie unterzog sich persönlich der Mühe, suchte die Hütten derselben auf und brachte einem jeden das Notwendige. So durchwanderte sie auch die Fremdenherbergen der Kirchen und pflegte die bettlägerigen Kranken mit eigener Hand, indem sie selbst die Töpfe in die Hand nahm, die Suppe verkostete, die Schüssel herbeibrachte, das Brot brach, den Bissen darreichte, den Becher ausspülte und alles andere tat, was sonst als Sache der Diener und Dienerinnen angesehen wird. Und wenn man sie von solchen persönlichen Dienstleistungen abhalten wollte, gab sie zur Antwort: „Wohl kommt es der kaiserlichen Würde zu, Gold zu verteilen, ich aber will gerade zum Dank für die Verleihung der kaiserlichen Würde dem Spender derselben meinen persönlichen Dienst zum Opfer bringen.” Ihrem Gemahl aber pflegte sie immer wieder zu sagen: „Du sollst, o Mann, beständig erwägen, was du früher gewesen und was du jetzt bist. Wenn du dieses fortwährend beherzigest, wirst du gegen den Wohltäter nicht undankbar sein, sondern die empfangene Herrschaft nach Recht und Gerechtigkeit führen und damit denjenigen ehren, der sie dir verliehen hat.”— Durch solche Ermahnungen spendete sie dem Samen der Tugend ihres Mannes sozusagen eine überaus herrliche und zuträgliche Bewässerung.
Sie starb vor ihrem Gemahl. Einige Zeit nach ihrem Tode aber trat ein Ereignis ein, das die zärtliche Liebe des Kaisers zu ihr in ein helles Licht rückte.
20. Der Aufstand in Antiochien
Durch seine häufigen Kriege sah sich der Kaiser genötigt, den Städten eine außerordentliche Abgabe aufzuerlegen. Die Stadt Antiochien nahm aber die neue Steuer nicht an, sondern als das Volk sah, daß die Eintreiber in Angst schwebten, verübte es neben anderem Unfug, den der Pöbel zu treiben pflegt, wenn er Anlaß zu Ausschreitungen findet, auch den, daß es die eherne Bildsäule der allgemein verehrten Placilla — so hieß nämlich die Kaiserin — umstürzte und durch einen großen Teil der Stadt schleifte. Als der Kaiser dieses erfuhr, geriet er begreiflicherweise in Zorn, nahm der Stadt ihre Vorrechte und verlieh den Rang einer Hauptstadt der benachbarten Stadt, weil er glaubte, sie dadurch am empfindlichsten strafen zu können. Laodicea war nämlich schon seit längerer Zeit auf Antiochien eifersüchtig. Außerdem drohte er der Stadt, sie anzuzünden, zu zerstören und in ein Dorf zu verwandeln. Übrigens hatte der Magistrat selbst schon einige, die auf frischer Tat ergriffen worden waren, mit dem Tode bestraft, noch ehe der Kaiser von der traurigen Geschichte Kunde erhielt. Dieses alles befahl zwar der Kaiser, aber es kam nicht zur Ausführung, weil das Gesetz im Wege stand, das auf die Mahnung des großen Ambrosius hin gegeben worden war1. Als aber die Überbringer der kaiserlichen Drohungen ankamen, nämlich Ellebechus, der damals Feldherr war, und der Palastvorsteher Cäsarius — die Römer nennen den Inhaber dieses Amtes magister —, da erschauderten alle in Angst und Schrecken vor den Drohungen.
Doch die Helden der Tugend, welche am Fuße des Berges wohnten — und ihrer waren zu der Zeit viele und ganz ausgezeichnete —, wandten sich an jene Männer mit vielen Bitten und Ermahnungen. Der überaus heilige Macedonius, der von den auf das Leben bezüglichen Dingen nichts verstand und selbst in den heiligen Schriften ganz unwissend war, der aber auf den Gipfeln der Berge sich aufhaltend Tag und Nacht dem Erlöser der Menschheit reine Gebete darbrachte, erschrak weder vor dem Zorn des Kaisers noch kümmerte er sich um die Macht der Abgesandten, sondern faßte mitten in der Stadt den einen am Mantel und forderte beide auf, von den Pferden zu steigen. Als diese das kleine, alte und in armselige Lumpen gehüllte Männchen sich ansahen, wurden sie zuerst unwillig, als ihnen aber einige von den Vornehmeren die Tugend des Mannes schilderten, sprangen sie von ihren Pferden, umfaßten seine Knie und baten ihn um Verzeihung.
Dieser aber sprach, von der göttlichen Weisheit geleitet, folgende Worte zu ihnen: „Saget, meine lieben Männer, dem Kaiser: Du bist nicht nur Kaiser, sondern auch Mensch. Sieh also nicht allein auf deine kaiserliche Würde, sondern denke auch an deine Natur! Du bist ein Mensch und herrschest über Wesen derselben Art. Die menschliche Natur aber ist nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen. Laß also das Bild Gottes nicht so grausam und unbarmherzig vernichten! Denn du erbitterst den Schöpfer, wenn du sein Bildnis so schlimm behandelst. Bedenke nur, daß auch du diese Strafen verhängen willst, weil du wegen der Mißhandlung eines ehernen Bildes erzürnt bist! Wie viel aber ein beseeltes, lebendes und vernunftbegabtes Bild vor einem leblosen voraus hat, das ist allen Verständigen klar. Außerdem beherzige auch dieses, daß es uns leicht ist, statt des einen viele andere eherne Bilder fertigen zu lassen, daß es dir aber ganz und gar unmöglich ist, auch nur ein einziges Haar der Getöteten wieder herzustellen.”
Nachdem jene bewunderungswürdigen Männer diese Worte gehört hatten, überbrachten sie dieselben dem Kaiser und löschten damit die Flamme seines Zornes. Und an Stelle seiner früheren Drohungen verfaßte er jetzt eine Verteidigungsschrift und gab darin die Ursache seines Zornes kund. „Denn”, so sagte er, „wenn auch ich selbst gefehlt habe, so brauchte doch diese alles Lobes überaus würdige Frau nicht nach ihrem Tode eine solche Schmach zu erleiden, sondern die Erzürnten hätten ihre Erbitterung gegen mich richten sollen.” Er fügte noch hinzu, daß er es lebhaft bedauere, hören zu müssen, daß einige vom Magistrat hingerichtet worden seien.
Ich aber habe dieses erzählt, weil ich es nicht für recht halte, die Freimütigkeit des berühmten Mönches der Vergessenheit anheimfallen zu lassen, und weil ich zeigen wollte, wie nützlich jenes Gesetz gewesen, welches der große Ambrosius veranlaßt hatte.
21. Allgemeine Zerstörung der Götzentempel
Der glaubenseifrige Kaiser wandte seine Sorgfalt auch der Bekämpfung des heidnischen Irrtums zu und erließ Gesetze, in denen er die Götzentempel zu zerstören befahl. Konstantin der Große nämlich, der alles Lobes überaus würdige Herrscher, hatte zwar als erster unter den Kaisern die kaiserliche Würde mit dem Schmuck des wahren Glaubens geziert und, da er den Erdkreis noch im heidnischen Irrwahn verstrickt sah, zwar die Opfer zu Ehren der Dämonen gänzlich untersagt, ihre Tempel aber nicht zerstören, sondern nur schließen lassen. Und auch seine Söhne waren dem Vorbild des Vaters gefolgt. Julian dagegen führte von neuem die heidnische Gottlosigkeit ein und entzündete neuerdings die Flammen des alten Trugs. Als dann Jovian die Herrschaft übernahm, verbot er wiederum den Götzendienst, und auch der große Valentinian regierte Europa nach denselben Gesetzen. Valens dagegen gestattete zwar allen anderen Religionsfreiheit und Freiheit der religiösen Übungen, nur allein die Verteidiger der apostolischen Lehren verfolgte er beständig mit seiner Feindschaft. Daher brannte während der ganzen Zeit seiner Regierung das Feuer auf den Altären, man brachte den Götzen Trank- und Brandopfer dar, feierte Volksfeste offen auf dem Marktplatze, die in die Orgien des Dionysus Eingeweihten liefen in Ziegenfellen umher, trieben die Hunde auseinander, rasten und tobten und taten, was sonst noch die Verworfenheit ihres Lehrers kund zu machen geeignet war1. Alle diese Dinge, die der glaubenseifrige Kaiser Theodosius (bei seinem Regierungsantritte) vorfand, rottete er mit der Wurzel aus und übergab sie der Vergessenheit.
22. Die Zerstörung der Götzentempel durch den Bischof Marcellus von Apamea
Zuerst nun unter allen Bischöfen begann der ganz ausgezeichnete Marcellus auf Grund des Gesetzes in der von ihm regierten Stadt die heidnischen Tempel zu zerstören. Dabei bediente er sich mehr des Vertrauens auf Gott als der Kraft vieler Hände. Ich will auch dieses erzählen, da es wohl verdient, in der Erinnerung zu bleiben.
Der Bischof Johannes von Apamea, den ich schon früher erwähnte2, war gestorben und an seiner Stelle der heilige Marcellus geweiht worden, ein Mann, der nach der Vorschrift des Apostels3 inbrünstig war im Geiste. Da kam nach Apamea der Präfekt des Morgenlandes mit zwei Obersten und ihren Untergebenen. Die Menge verhielt sich ruhig aus Furcht vor den Soldaten. Man versuchte den Tempel des Jupiter, der sehr groß und reich geschmückt und geziert war, zu zerstören. Da man aber das Bauwerk überaus fest und hart fand, so hielt man dafür, daß es Menschen unmöglich sei, das Gefüge der Steine zu lösen. Dieselben waren nämlich sehr groß, genau ineinandergepaßt und dazu noch durch Eisen und Blei miteinander verbunden. Als nun der heilige Marcellus sah, wie der Präfekt mutlos verzagte, ließ er ihn in die anderen Städte weiterziehen, er selbst aber flehte zu Gott, ihm Mittel und Wege an die Hand zu geben zur Zerstörung des Tempels.
Da kam von selbst am frühen Morgen ein Mann, der weder Baumeister noch Steinmetz noch in irgendeiner anderen Kunst erfahren, sondern nur gewohnt war, Steine und Holz auf seinen Schultern zu tragen. Dieser kam und erbot sich, den Tempel mit größter Leichtigkeit zu zerstören, nur forderte er den Lohn zweier Arbeiter. Nachdem der heilige Bischof versprochen hatte, ihm diesen zu geben, gebrauchte jener Mann folgenden Kunstgriff. Der auf einer Höhe gelegene Tempel hatte auf seinen vier Seiten eine Säulenhalle, welche fest mit ihm verbunden war. Die Säulen waren sehr groß und von gleicher Höhe wie der Tempel, der Umfang einer jeden war sechzehn Ellen. Die Natur des Steines war sehr hart und von den Werkzeugen der Steinhauer nicht leicht zu bearbeiten. Jener Mann untergrub nun eine jede Säule rings herum und stützte die darüber liegenden Teile des Gebäudes mit Balken von Ölbaumholz und wandte sich so von der einen zur anderen Säule. Nachdem er so drei Säulen untergraben hatte, legte er Feuer an das hölzerne Gerüste. Allein nun erschien ein schwarzer Dämon, der nicht zuließ, daß die hölzernen Balken ihrer Natur entsprechend vom Feuer verzehrt wurden, der vielmehr die Wirksamkeit des Feuers abwehrte. Nachdem man den Versuch öfter wiederholt hatte und einsah, daß das angewandte Mittel nicht zum Ziele führe, meldete man die Sache dem Bischofe, der eben nach der Mittagszeit ein wenig ausruhte.
Dieser eilte sofort in den heidnischen Tempel, ließ ein Gefäß mit Wasser herbeibringen und stellte das Wasser unter den Opferaltar; er selbst aber warf sich mit seinem Angesichte auf den Boden und flehte zu dem allgütigen Herrn, er möge nicht länger die Tyrannei des Teufels hingehen lassen, sondern die Ohnmacht desselben offenbaren wie auch seine eigene Macht zeigen, damit diese Sache den Ungläubigen nicht Anlaß zu größerem Schaden werde. Nach solchen und ähnlichen Worten machte er das Zeichen des Kreuzes über das Wasser und beauftragte einen gewissen Equitius, der mit der Würde des Diakonats geschmückt und im Glaubenseifer wohl befestigt war, das Wasser zu nehmen, schnell hinzueilen, es mit gläubiger Zuversicht auszusprengen und das Feuer anzulegen. Als dieses so geschah, ergriff der Dämon die Flucht, da er der vom Wasser ausgehenden Kraft nicht zu widerstehen vermochte. Das Feuer aber ergriff das ihm sonst feindliche Wasser wie Öl, erfaßte auch das Holz und verzehrte es in kurzer Zeit. Die Säulen aber fielen, als ihre Stütze weg war, nicht nur selbst zusammen, sondern rissen auch noch zwölf andere mit sich. Auch die Seite des Tempels, welche mit den Säulen verbunden war, stürzte ein, von der Wucht derselben mitfortgerissen. Das Getöse erfüllte die ganze Stadt, denn es war groß, und lockte alle zu dem Schauspiel herbei. Als sie vollends von der Flucht des feindlichen Dämons erfuhren, erhoben sie ihre Stimme zum Preise des Gottes aller Dinge. In dieser Weise zerstörte jener heilige Bischof auch die übrigen Götzentempel.
Ich wüßte über diesen Mann noch viele andere sehr staunenswerte Dinge zu erzählen; so schrieb er zum Beispiel Briefe an die siegreichen Martyrer und erhielt auch schriftliche Antworten von ihnen, und zuletzt erlangte er selbst die Krone der Martyrer; ich will es aber unterlassen, dieses jetzt des weiteren zu berichten, damit ich nicht durch zu große Weitschweifigkeit die Leser meines Werkes ermüde. Ich gehe deshalb zu einem anderen Gegenstande über.
23. Theophilus, Bischof von Alexandrien, und die dortigen Vorgänge bei der Zerstörung der Götzenbilder
Auf jenen vielgerühmten Athanasius folgte der bewunderungswürdige Petrus, auf Petrus Timotheus, auf Timotheus Theophilus, ein Mann von großem Verstand und tatkräftiger Gesinnung. Dieser befreite Alexandrien von dem Irrwahn des Götzendienstes. Denn er zerstörte nicht nur von Grund aus die Götzentempel, sondern enthüllte auch den Betrogenen die Kunstgriffe der sie betrügenden Priester. Sie machten nämlich die ehernen und hölzernen Götterstatuen inwendig hohl, fügten deren Rückseiten fest an die Mauer an, ließen aber in der Mauer einige unbemerkbare Gänge. Dann gingen sie durch das dem Volke unzugängliche Heiligtum, begaben sich in den inneren, hohlen Raum der Götterstatuen und befahlen durch diese, was ihnen beliebte. Die betrogenen Hörer aber vollzogen, was ihnen befohlen wurde. Diese Dinge also enthüllte der überaus weise Bischof dem getäuschten Volke und machte ihnen für immer ein Ende.
Als er in den Tempel des Serapis kam, der, wie einige behaupten, der größte und schönste Tempel der ganzen Welt war, erblickte er dort das Götzenbild, das sehr groß war und durch seine Größe die Beschauer in Schrecken versetzte. Zu der Größe kam noch eine trügerische Sage, die umging, daß, wenn jemand diesem Götzenbilde sich nähere, die Erde erbeben und ein allgemeiner Untergang über alle hereinbrechen werde. Doch Theophilus hielt dieses Gerede für albernes Geschwätz von betrunkenen alten Weibern, kümmerte sich auch nicht um die Größe der Statue, da sie ja doch leblos war, sondern befahl einem, der eine Axt hatte, mutig auf den Serapis loszuschlagen. Während dieser hieb, schrien alle laut auf aus Furcht vor der genannten Sage. Der Serapis aber empfand, als er den Schlag erhielt, weder Schmerz, da er von Holz war, noch gab er einen Laut von sich, weil er kein Leben hatte. Als ihm aber der Kopf abgeschlagen wurde, sprang aus dem Innern eine ganze Schar von Mäusen heraus. Der Gott der Ägypter war nämlich eine Wohnstätte für Mäuse gewesen. Man teilte ihn nun in kleine Stücke und übergab dieselben dem Feuer, den Kopf aber schleppte man durch die ganze Stadt, so daß seine Verehrer es sehen und über die Ohnmacht des von ihnen angebeteten Gottes sich lustig machen konnten.
So wurden überall zu Wasser und zu Lande die Tempel der Dämonen zerstört.
24. Bischof Flavian von Antiochien und die Trennung der Abendländer wegen des Paulinus
In Antiochien folgte auf den großen Meletius im bischöflichen Amte Flavian, der gemeinsam mit Diodorus jene zahlreichen Kämpfe für die Rettung der Schafe bestanden hatte. Es wollte zwar Paulinus die Regierung der Kirche an sich reißen, allein die Priesterschaft widersprach mit der Begründung, derjenige, der die Anerbietungen des Meletius nicht angenommen habe, dürfe nach dessen Tod auch den Sitz desselben nicht einnehmen, sondern es gezieme sich, daß derjenige Hirte werde, der sich durch viele Mühen ausgezeichnet und so lange Zeit hindurch für die Schafe Gefahren bestanden habe1.
Diese Wahl veranlaßte nun bei den Römern und Ägyptern eine sehr lange dauernde feindselige Stimmung gegen das Morgenland. Denn nicht einmal durch den Tod des Paulinus wurde die Feindschaft beigelegt, sondern auch nach ihm, als Evagrius dessen Sitz einnahm, blieben sie dem großen Flavian abgeneigt und blieben es, obschon Evagrius im Widerspruch mit dem kirchlichen Recht aufgestellt worden war. Es hatte ihn nämlich Paulinus allein erhoben, wodurch er gleichzeitig viele Kanones verletzte. Denn dieselben gestatten nicht, daß der Sterbende sich selbst den Nachfolger bestelle, sondern sie fordern die Berufung aller Bischöfe der Provinz, und wiederum verbieten sie, daß eine Bischofsweihe von weniger als drei Bischöfen vorgenommen werde. Aber von allen diesen Vorschriften wollten jene nichts wissen, hielten sich zur Gemeinschaft des Evagrius und wußten die Ohren des Kaisers gegen Flavian einzunehmen.
Oftmals darum angegangen, berief ihn nämlich der Kaiser nach Konstantinopel und befahl ihm, nach Rom zu reisen2. Flavian wies jedoch darauf hin, daß Winter sei, versprach aber, mit Eintritt der milderen Jahreszeit den Befehl auszuführen. Hierauf kehrte er wieder in seine Heimat zurück. Da jedoch die Bischöfe von Rom, nicht nur der bewunderungswürdige Damasus, sondern auch dessen Nachfolger Siricius und der auf Siricius folgende Anastasius dem gläubigfrommen Kaiser heftigere Vorwürfe machten3 und ihm vorhielten, daß er zwar die Empörer gegen seine eigene Herrschaft unterdrücke, dagegen diejenigen, welche sich gegen die Gesetze Christi auflehnten, in ihrer unrechtmäßigen Herrschaft belasse, so ließ ihn der Kaiser abermals zu sich rufen und wollte ihn zwingen, nach Rom zu reisen. Da sprach nun der überaus weise Flavian mit lobenswertem Freimut: „Wenn einige, o Kaiser, meinen Glauben als häretisch verdächtigen oder mein Leben für des Priestertums unwürdig erklären, so will ich meine Ankläger selbst als Richter erkennen und das von ihnen gefällte Urteil gerne annehmen. Wenn sie aber um den bischöflichen Stuhl und Vorsitz streiten, so will ich nicht rechten und kämpfen mit denjenigen, welche ihn mir entreißen wollen, sondern ich will zurücktreten und auf das bischöfliche Amt verzichten. Gib also, o Kaiser, den Stuhl von Antiochien, wem du willst.” Der Kaiser bewunderte den Mut und die Weisheit des Flavian und befahl ihm, in sein Land zurückzukehren und die ihm anvertraute Kirche weiter zu regieren.
Seitdem war eine geraume Zeit verstrichen, als der Kaiser nach Rom kam und von den Bischöfen wiederum dieselbe Klage hören mußte, daß er nämlich der unrechtmäßigen Regierung des Flavian kein Ende mache. Da verlangte er von ihnen, daß sie die Art der unrechtmäßigen Herrschaft näher bezeichneten, und fügte bei, er selbst sei Flavian und zum Anwalt desselben geworden. Und als sie darauf erwiderten, mit dem Kaiser könnten sie nicht streiten, da ermahnte er sie, fernerhin die Kirchen zur Eintracht zurückzuführen, den Streit ruhen zu lassen und das unnütze Gezänke zu unterdrücken. „Denn Paulinus ist schon längst gestorben und Evangrius auf unrechtmäßige Weise erhoben worden1. Die Kirchen des Morgenlandes anerkennen den Vorsitz des Flavian, und außer dem Morgenlande steht die ganze Provinz Asien, der Pontus und selbst Thracien mit ihm in Gemeinschaft und Verbindung, und ebenso erkennt ihn ganz Illyrien als Vorsteher der Bischöfe des Morgenlandes.” Diesen Vorstellungen gaben die Bischöfe des Abendlandes nach und versprachen, die Feindseligkeit aufzugeben und die Gesandten, die geschickt würden, wohlwollend aufzunehmen.
Auf die Kunde hievon schickte der heilige Flavian einige lobwürdige Bischöfe und von Antiochien mehrere Priester und Diakonen nach Rom. An der Spitze der gesamten Gesandtschaft stand Acacius, der mit der Regierung der Kirche von Beröa in Syrien betraut und überall zu Wasser und zu Lande bekannt und berühmt war. Dieser kam mit den übrigen Abgeordneten nach Rom, machte der langwierigen, siebzehn Jahre dauernden Spaltung ein Ende und vermittelte den Kirchen den Frieden. Auf die Nachricht hievon gaben auch die Ägypter ihre Feindschaft auf und schlossen sich dem allgemeinen Frieden an2. Damals leitete die Kirche der Römer Innozenz, der Nachfolger des Anastasius, ein durch Umsicht und Weisheit ausgezeichneter Mann1. Zu Alexandrien regierte Theophilus, dessen ich schon früher gedachte2.
In dieser Weise vermittelte also der glaubenseifrige Kaiser den Frieden der Kirchen.
25. Die Empörung des Eugenius und der durch den Glauben errungene Sieg des Kaisers Theodosius
Noch vor der Wiederherstellung des Friedens erhielt Theodosius die Nachricht von dem Tode des Valentinian und der Empörung des Eugenius und zog deshalb mit einem Heere nach Europa3. In jener Zeit war in Ägypten ein gewisser Johannes, der die Lebensweise der Aszeten führte. Dieser erfreute sich einer besonderen Geistesgabe; er sagte denen, die ihn darum fragten, viele zukünftige Dinge voraus. Zu diesem schickte nun der Christus liebende Kaiser Boten, um von ihm zu erfahren, ob er gegen die Empörer Krieg führen solle. Bei dem ersten Krieg hatte derselbe einen Sieg ohne Blutvergießen vorausgesagt, bei dem zweiten dagegen prophezeite er, daß der Kaiser den Sieg erringen werde, aber erst nach vielem Blutvergießen4.
Mit dieser Hoffnung zog der Kaiser in den Kampf und machte in der Schlacht viele Feinde nieder, verlor aber auch viele aus den Reihen der barbarischen Hilfstruppen. Als die Feldherrn darauf aufmerksam machten, daß der Streiter zu wenig seien, und als sie deshalb rieten, den Krieg aufzuschieben, um bei Beginn des Frühlings ein Heer zu sammeln und den Feinden an Zahl überlegen zu sein, da ging der tiefgläubige Kaiser auf diesen Rat nicht ein; denn, sagte er, man dürfe weder das Kreuz des Erlösers einer solchen Schwäche zeihen noch auch dem Bilde des Herkules eine so große Macht zuschreiben. „Denn unserem Heere wird das Kreuz, dem der Feinde jenes Bild vorangetragen.” Nach diesen mit gläubiger Zuversicht gesprochenen Worten verbrachte er, da das ihm noch gebliebene Heer gering an Zahl und stark entmutigt war, die ganze Nacht im Gebete zum Herrn der Welt zu, und zwar in einem Bethäuschen, das er auf der Höhe des Berges, wo das Lager war, vorgefunden hatte.
Um die Zeit des Hahnenschreies aber siegte der Schlaf über den Willen. Während er nun so auf dem Erdboden da lag, schien es ihm, als sehe er zwei Männer in weißen Gewändern und auf weißen Pferden sitzend, die ihn aufforderten, guten Mutes zu sein, die Furcht aus dem Herzen zu bannen und gegen Tagesanbruch das Heer zu bewaffnen und in Schlachtordnung aufzustellen; sie seien nämlich, so sagten sie, als Helfer und Vorkämpfer gesandt. Der eine sagte, er sei der Evangelist Johannes, der andere, er sei der Apostel Philippus. Auch nach diesem Gesicht ließ der Kaiser nicht nach im flehentlichen Gebete, sondern verrichtete dasselbe nur mit noch größerer Inbrunst. Dasselbe Gesicht hatte aber auch ein gewöhnlicher Soldat; er offenbarte es dem Hauptmann, dieser schickte ihn zum Oberst und der Oberst zum General, der General aber meldete es dem Kaiser in der Meinung, ihm etwas ganz Neues zu verkünden. Dieser aber erwiderte: „Nicht meinetwegen hat der Soldat jenes Gesicht gehabt; denn ich habe denen, welche mir den Sieg versprachen, vollen Glauben geschenkt; sondern damit niemand argwöhne, ich hätte aus Verlangen nach der Schlacht die Erscheinung erdichtet, deshalb hat der Beschützer meiner Herrschaft das Gesicht auch diesem Soldaten kund gemacht, damit er ein zuverlässiger Zeuge meiner Erzählung werde. Denn mir hat unser gemeinsamer Herr dieses Gesicht zuerst gezeigt. Hinweg also mit der Furcht, folgen wir den Vorkämpfern und Führern im Streite! Niemand erwarte den Sieg von der Menge der Kämpfenden, jeder denke vielmehr an die Macht der Führer!” Solche Worte sprach er auch zu den Soldaten und erfüllte sie alle mit feurigem Mute. Darauf führte er sie vom Gipfel des Berges herab. Als der Usurpator von der Ferne die Kampflust dieser Soldaten gewahrte, bewaffnete auch er sein Heer und stellte es in Schlachtordnung auf. Er selbst blieb auf einem Hügel zurück, äußerte, daß der Kaiser zu sterben wünsche und in den Kampf ziehe, um von dem gegenwärtigen Leben los zu werden, und gab seinen Feldherrn den Befehl, ihm denselben lebend und gefesselt zuzuführen.
Als die Schlachtreihen aufgestellt waren, zeigte sich die Menge der Feinde um ein vielfaches größer als das Heer des Kaisers, das sehr leicht zu zählen war. Kaum aber hatte man auf beiden Seiten begonnen, die Geschosse zu schleudern, als die (himmlischen) Beschützer ihre Versprechungen als wahr erwiesen. Denn ein gewaltiger Sturmwind, der seine Richtung gegen den Feind nahm, warf ihre Pfeile, Lanzen und Speere zurück, so daß jegliches Geschoß für sie nutzlos war und weder Schwerbewaffnete noch Bogenschützen noch Leichtbewaffnete dem Heere des Kaisers Schaden zufügen konnten. Außerdem wurden ihnen ganze Wolken von Staub in das Gesicht getrieben, die sie zwangen, ihre Augenlider zu schließen, um so ihre gefährdeten Augen zu schützen. Die Soldaten des Kaisers dagegen erfuhren von jenem Sturm nicht den geringsten Nachteil, sondern machten die Feinde unerschrocken nieder. Als letztere das merkten und darin die göttliche Hilfe erkannten, warfen sie ihre Waffen weg und baten den Kaiser um Schonung. Dieser gewährte sie auch und schenkte ihnen Barmherzigkeit, verlangte aber, daß sie ihm den Empörer so schnell als möglich auslieferten. So stiegen sie eilends den Hügel hinan, auf dem derselbe sich niedergelassen hatte. Er hatte keine Ahnung von dem, was vorgegangen war. Als er sah, wie sie keuchend sich näherten und durch ihr rasches Atmen die Eile, die sie hatten, zu erkennen gaben, da hielt er sie für Siegesboten und fragte sie, ob sie auch seinem Auftrag gemäß den Theodosius gefesselt mit sich führten. Doch diese erwiderten: „Nicht jenen bringen wir zu dir her, sondern dich haben wir zu jenem hinzuführen. So hat es uns der Herr des Weltalls befohlen.” Mit diesen Worten rissen sie ihn von seinem Stuhle weg, legten ihn in Fesseln und führten ihn gebunden ab. So brachten sie den als Gefangenen zurück, der sich noch kurz zuvor so übermütig benommen hatte. Der Kaiser aber gedachte der Freveltaten desselben gegen Valentinian, der gesetzwidrigen Anmaßung der Gewalt und des Krieges gegen die rechtmäßige Herrschaft; er spottete auch über das Bild des Herkules und über die törichte Hoffnung, die man auf ihn gesetzt hatte; und dann sprach er über ihn das gerechte und gesetzliche Strafurteil aus.
So war also der Kaiser im Frieden und im Kriege; immer bat er um die Hilfe Gottes, immer wurde sie ihm auch zuteil.
|
|
Bosh sahifa
Aloqalar
Bosh sahifa
Text aus: Des Bischofs Theodoret von Cyrus Kirchengeschichte / aus dem Griechischen übers und mit Einl und Anmerkungen versehen von Andreas Seider.
|