Schlussfolgerung der Inhaltsanalyse: „Religion surft mit“
Dass der Katholizismus keineswegs von negativen Ereignissen ausgenommen ist und seine Vertreter vermehrt als Schuldige in Erscheinung treten, hängt zusammen mit der Aufdeckung von Fällen pädophiler Priester und Ordensmitglieder. Die Berichte beinhalten konkrete Missbrauchsvorwürfe, Kritik am Verhalten der Kirche als Institution, aber auch an der Art der Papstentschuldigungen. Die Berichterstattung bezieht sich (noch) nicht auf die Schweiz, sondern auf das Ausland, insbesondere auf die Vereinigten Staaten. Wenngleich politische Themen dominieren, zeigt sich dennoch eine groβe Vielfalt in jenen Beiträgen, in denen es laut Koch um Religion oder um deren Vertreter geht. „Religion ist in der Kultur und Kunst zu finden. Religionsvertreter nehmen Stellung, wenn es um Moral- und Ethikfragen geht – sei dies im familiären Umfeld, in der Wissenschaft oder der Wirtschaft. Die Medien interessieren sich besonders dann für Themen, wenn sie sich auf umstrittene Haltungen beziehen, wenn es um gegensätzliche Ansichten geht – etwa um Homosexualität, sexuelle Freizügigkeit, den Gebrauch von Kondomen oder um Sterbehilfe. Und: „Bräuche und Riten des Christentums finden regelmäβig Einzug in die Medien. (…) Bei anderen, in der Schweiz kulturell fremden Religionsgemeinschaften werden Bräuche und Rituale hingegen erst thematisiert, wenn sie eine gewisse Exotik innehaben oder als umstritten gelten.“34
Die ernüchternde Antwort auf der Frage, wie die Journalisten in der Schweiz Religion und religiöse Ereignisse bearbeiten, lautet kurz und bündig: Wie auch andere Themen. Die Forscher in der Schweiz fassen ihre Schlussfolgerung sehr gut zusammen mit dem Schlagwort „Religion surft mit“. Die durchaus auch von den befragten Journalisten selbst wahrgenommene Vernachlässigung des Themas Religion(en) wird weitgehend damit begründet, dass religiös motivierte Ereignisse an sich in der Regel weit weniger Nachrichtenwert aufweisen, als etwa politische oder wirtschaftliche. Eine Folge davon ist, dass religiöse Themen dann an journalistischer Relevanz gewinnen, wenn sie mit politischen, wirtschaftlichen, sportlichen oder wissenschaftlichen Themen gekoppelt werden können, beziehungsweise wenn entsprechende Ordnungen irritieren. Die Wahrscheinlichkeit, vom Journalismus bearbeitet zu werden, steigt den Züricher Kommunikationswissenschaftlern nach, zudem, „wenn die zu thematisierende Irritation zwischen religiösen und anderen Systemlogiken in narrativen Strukturen dargestellt werden kann. Weil nun aber Religion beziehungsweise Religiosität kaum aus sich heraus thematisiert wird, ist zu erwarten, dass der Journalismus die darzustellenden Handlungen religiöser Akteure in Erzählstrukturen gieβt, in denen beispielsweise eher eine politische Deutung (etwa zu Machtmissbrauch) dominiert beziehungsweise die religiöse überschreibt.“ Diese Erwartung wird, laut Wyss und Keel, durch weitere Befunde der Befragungen genährt, wenn festzustellen ist, dass in den Publikumsmedien, von wenigen Ausnahmen abgesehen und trotz zugeschriebener Relevanz des Themas, kaum von fachspezifischem Wissen, geschweige denn von Spezialisierung die Rede sein kann.
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