Thomas A. Bauer, Marko Ivanisin, Bernd Mikuszeit (Hrsg.) Evaluierung von Bildungsmedien und Multimedia Kriterien und Weiterbildungsangebote Internetpublikation zum Projekt




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Sana26.06.2021
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Kritik und Dialektik:

Es war immer schon das Moment des begründeten Widerspruchs, durch das „Gebildete“ nicht nur auf sich, sondern auch auf die Notwendigkeit der kritischen Intervention aufmerksam gemacht haben. Bildung ist das kognitive und kulturelle Reservoir für die notwendige Überraschung, der Platz, an dem Differenz und Widerspruch Sinn machen und Gehör finden. Es gehört zur kommunikativen Grundausstattung von Bildung neben der diskursiven Anlage auch über eine solche des Dialogs und der Dialektik zu verfügen. Kommunikologisch lassen sich zwei Grundmuster der Kommunikation ausmachen (Flusser 1998): Diskurs und Dialog. Während das Diskursmodell den Mechanismus der Verteilung („discurrere“) und der Durchsetzung von Erkenntnis beschreibt, moniert das Dialog-Muster der Kommunikation („dia logos -durch das Wort“) die Notwendigkeit der mehrseitigen und widersprüchlichen Perspektive ein, ohne die es keine originäre Produktion von Erkenntnis gäbe. Der Dialog ist das sozial gleichzeitig und gleichberechtigt mehrseitig angelegte Dispositiv des Austausches von Positionen mit dem Ziel einen hermeneutischen Raum zu eröffnen, in dem sich der dialektische Schlüssel (er gemeinsame Widerspruchspunkt) finden lässt, der erklärt, warum, wodurch und in Bezug worauf zwei Thesen zueinander im Widerspruch stehen (können). Erst der in Rechnung gestellte Widerspruch gibt einem Spruch die Legitimation sich zu behaupten oder behauptet zu werden. Nach all den Kulturentwicklungsstufen der Wahrheit auf die Spur zu kommen und sie verständigungssicher durchzusetzen (über Flucht, Ausweg, Ausrede oder Lüge; über Kampf, Krieg und Streit und Tötungsrhetorik; über Delegation, Abschiebung von Verantwortung, Vertröstung, Verlagerung oder Mehrheitsbeschaffung; über Kompromiss, Bagatellisierung, Kulissen-Rhetorik oder Konsens-Annäherung - vgl. Schwarz 2003) wäre Dialektik jene avancierte Kulturstufe der Generierung von Erkenntnis und entsprechender Wahrheitsvereinbarung, auf der Menschen gerade wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Wahrnehmungsperspektive einander interessiert (inter-esse: eingemischt) und interessant (sich wechselseitig einmischend) finden und im Hinblick auf eine verbindliche Wirklichkeitskonstruktion davon ausgehen, dass sie eben dafür einander brauchen (Interdependenz) und ihre Verständigungsbereitschaft daher darauf konzentrieren zu wissen und zu verstehen, was ein anderer meint, um das eigene Meinen durch dessen möglichen Widerspruch geprüft sicherer (offener, differenzierter, kritischer) zu bewerten und so auch vertreten zu können. Eine solche Version von Dialektik – hier und in diesem Kontext in epistemologischer Übereinkunft mit der skeptischen Prämisse des kritischen Rationalismus (Popper xyz), die davon ausgeht, dass das menschliche Wissen fehlbar sei und dass daher die Bestätigung durch affirmative Theorien nicht die geeignete Methode sein könne, um wahrheitsfähige Erkenntnisse zu gewinnen. Bewusst gewählte Methoden (Theorien) der Widerlegung könnten dazu führen dann das wahrheitsfähigere Erkenntnismodell zu erschließen. Im Grund ist dies ein post-moderner (Erkenntnis post modo) Ansatz.
Zur ideentypischen Begründung eines weiten und kontextuellen Bildungsbegriffes gehört das Dialektik-Modell der Kommunikation nicht nur als Kunst der intellektuellen Gesprächsführung („ars dialectica“), sondern auch als Habitat der Zumutung von Komplexität, der Verantwortung für Differenzierung und der Aufdeckung von Trivialität in das kulturelle Setting von Bildung. Im Modus der symbolisch-interaktiv vergemeinschafteten Konstruktion von Wirklichkeit kommt das Verschiedene zusammen, weil es erst im Interesse des Gemeinsamen wirklich verschieden und verschieden wirklich ist. Das Gleiche mit dem Gleichen vergemeinschaften zu wollen wäre nicht nur tautologisch, sondern auch wirklich und tendenziell totalitär. Dass sich gerade Intellektuelle und Bildungsbürger in der politischen Realität in allen historischen und gesellschaftspolitischen Kontexten immer wieder gegen Autoritarismus, Totalitarismus, Dogmatismus und Faschismus stellen, hat nicht nur mit deren moralischer Bildung, sondern auch mit deren Interesse und Erwartung an Diversität und Differenzpositionen zu tun. Solche Habitate sollten in einer Gesellschaft, die Bildung zum Modus ihrer Entwicklung erklärt, nicht mehr das Privileg von Eliten sein, sondern das Kompetenzprogramm einer ganzen Gesellschaft


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