Medienbildung und Medienkompetenz




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Medienbildung und Medienkompetenz
Der Begriff der Kompetenz ist ein philosophisch-anthropologisch, psychologisch, soziologisch und nicht zuletzt pädagogisch gebrauchtes Konzept, das die Vorstellung eines intrinsischen Desiderats bemüht, demnach es dem Menschen zumutbar sei und es ihm vermutlich auch obliege bzw. er dafür Sorge zu tragen hätte für selbst verantwortlich zu sein und dass er für diese menschenwürdige Position der Autonomie und Souveränität (Prinzip Emanzipation) auch über Potenziale verfüge, die ihm ebenso, allerdings als Lernprozess, zumutbar bzw. zu ermöglichen und abzufordern wären: Fähigkeit, Fertigkeit, Bereitschaft – eingeschrieben oder im Wege von Bildung einzuschreiben in Einstellungen, Haltungen und Verhaltensweisen (Habitus). Neben dieser kritisch-normativen Konzeption gibt es aber auch eine kritisch-pragmatische, die das Kompetenzmodell organisationstheoretisch, instrumentell und bildungstechnologisch verwertet: als Maß-Moment der Steigerung oder Steigerbarkeit der Qualifikation innerhalb eines Professionalisierungsprogramms. Auf dieser Ebene beschreibt Kompetenz das Maß der Zuständigkeit, ausdrückbar in erwartbaren oder gesellschaftlich erwarteten Fertigkeiten (skills). Was die beiden Konzeptionen unterscheidet ist die kritische Perspektive. Während die grundsätzliche (philosophische) Konzeption intrinsisch und emanzipatorisch gedacht ist (werden muss), ist die pragmatische, die dem gesellschaftlichen System zugeordnete Konzeption eher extrinsisch, affirmativ und kompensatorisch gemeint
Vor und neben dem Begriff der Medienkompetenz hat sich auch der der Media Literacy etabliert (vgl. BMUK, Europa) Media Literacy wird gerne verstanden als die Fähigkeit zu (kritischem Lesen“) zur kritischen Mediennutzung und wurde ursprünglich in allen theoretischen Rahmungen der Medienpädagogik mit der Entwicklung persönlicher Interessen und Kapazitäten assoziiert, Zugang zu sozialem Kapital zu erschließen (Bourdieu 1982, Coleman 1988). In diesem Sinne wurde sie stets als Faktor für Rationalität und Vernünftigkeit innerhalb des Prozesses persönlicher Sozialisation gesehen („vernünftiger Mediengebrauch“). Theoretisch wurde Media Literacy oft mit so genannten Kulturtechniken gleichgesetzt (cf. Baake 1997). Von dort ausgehend hat der Begriff eine Bedeutungserweiterung erfahren um „Skills und Kompetenzen, welche das Finden, Auswählen, Analysieren, Evaluieren und Speichern von Information beinhalten, in ihrer Behandlung und ihrem Gebrauch unabhängig von beteiligten Codes oder Techniken“ (Studie über Medienkompetenz in Europa). Betrachtet man, dass die soziale Kommunikationsentwicklung von der Medienentwicklung (Medientechnologie) abhängig ist, dann ist das Kompetenzkonzept mehr oder weniger Konzept für die pragmatische Assimilation des pädagogischen Status der Plattformen medientechnologischer Entwicklungen von sozialer (öffentlicher) Kommunikation in Form von Codes, strukturellem Design, Techniken und „generativer Grammatik“ (Chomsky 1972: 83). Vom Standpunkt konzeptueller Theorieentwicklung aus gedacht, ist Medienkompetenz eine Spezifikation eines allgemeinen Werkzeugkastens kommunikativer und kultureller Fähigkeiten, welche verwendet werden um soziales Kapital zu erlangen.
Im Vergleich zu Kommunikationskompetenz ist Medienkompetenz ein unterschiedliches Kompetenzmodell und wird, wenn man das Modell systematisch strukturiert (nach Dieter Baake 1997), in der Regel anhand von mindestens vier beteiligten Ebenen wahr genommen:

  • Medienwissen: Wissen wie das Mediensystem gebildet wird, wie es funktioniert – in Bezug auf Technik, Wirtschaft, Politik, Recht, sozialer Werte – und unter welchen Bedingungen Medien gesellschaftlich nützliche oder problematische Funktionen für den öffentlichen gesellschaftlichen Diskurs erbringen.

  • Medienanalyse: Analyseinhalt, Effekte, die Art und das Interesse industrieller Produktion an Medien und das Verständnis für die Position medialer Potenziale und Macht.

  • Medienkritik: Bewertung der Rolle die Medienprogramme dabei spielen einer Gesellschaft kritische Eigenbeobachtung, sowie persönliche Wissensvermehrung und Lebensorientierung zu ermöglichen.

  • Medienselbstverständnis: Die Fähigkeit sozialer Partizipation erwerben und zu lernen sich selbst über mediale Mittel auszudrücken.

Natürlich entspricht Baakes Konzept von Medienkompetenz –immer verstanden als eine Folge von Medienpädagogik - einem instrumentellen Verständnis von Medien und ist eng mit einem funktionalen Medienkonzept als Mittel zu Macht (oder Gegenmacht) Einflussnahme und Anteilhabe verbunden. Das medienzentrierte Verständnis von Kompetenz verleitet dazu, auch das Kompetenzmodell instrumentell und funktional auszulegen: Kompetenz als Fähigkeit etwas zu erreichen, durchzusetzen bzw. sich durchzusetzen. Eine solche Auslegung wäre für das philosophisch formulierte Kompetenzmodell (Selbstverwirklichung als Selbstverantwortung) zu eng und zu industrie-ideologisch. Neuere Konzepte von Medienkompetenz gehen selbstverständlich weiter, auch wenn sie sich nur schwer durchsetzen im Mainstream der pragmatischen Ansätze. aufgrund der Vorherrschaft eines funktionalen Medienverständnisses. Eine kulturelle Medieninterpretation, die der eigentliche theoretische Hintergrund des Kompetenzkonzeptes ist (vgl. Bauer xyz), schließt viel bewusster an den Bedeutungssphären von Kommunikation an, weil sie zum einen Medialität als die kommunikationsinhärente Umwelt der kommunikativen Praxis versteht; und weil sie zum anderen Kommunikation gar nicht anders denkt denn als Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung von Erfahrung unter der Bedingung der Generierung von Symbolik für eben diese Vergemeinschaftung von Unterschied.




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