Bildungsmedien allgemein:
In einem weiten Verständnis dienen alle Medien der Fundierung, Bestärkung und Verbreitung von Bildung, mithin der Herausbildung, Fundierung und Spezialisierung menschlicher Kognition, verstanden als Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit und verbunden mit menschlicher Vernunft sowie mit jeweils kulturell und sozial virulenten und geachteten Bildungsinhalten. (Kübler 1997: 40 ff). Im engeren Sinn lassen sich als Bildungsmedien aber als diejenigen bezeichnen, die in einem pädagogischen Kontext eingesetzt und/oder mit denen ein Bildungsprozess beabsichtigt ist. Der pädagogische Kontext kann formeller Art (Schule) oder informeller Art (autodidaktisch) sein.
Generell haben Medien das Potenzial Bildungsprozesse zu initiieren und zu stützen. Sie dienen der Fundierung, Festigung, Stärkung und (Um-)Orientierung von Wissen und Erfahrung. Solange man Bildung als jenen Habitus (Chomsky: generatives Potenzial) versteht (verstand), in dem und durch den Wissen aufgenommen, gewertet und geschätzt und in diesem Sinne laufend erweitert wird, solange ist Bildung eine Privileg (ver)schaffender Faktor im Modell des gestisch (in Verhalten, Einstellung und öffentlichem Habitus) ausgewiesenen (geistigen) Besitzes: symbolisches Kapital (Bourdieu 1974). Der soziale Wandel verändert nicht nur die gesellschaftlichen, sondern auch die gesellschaftspolitischen, die strukturellen, kulturellen, die medialen und die kommunikativen Kontexte von Bildung. Nach wie vor ist Bildung ein Faktor sozialen Kapitals, es ändert sich aber dessen Verständnis und dessen Medialität.
Von didaktischen Medienmodellen (z.B. multimedialen Medien-Konstellationen) unterscheiden sich allgemeine Bildungsmedien einmal dadurch, dass sie inhaltlich, ästhetisch und/oder infrastrukturell viel offener und bewusst nicht instruktiv oder didaktisch konzipiert sind, zum andern aber vor allem dadurch, dass sie bei Konsumenten/Rezipienten/Usern mit Bildung kontextualisiert werden können und in diesem Sinne auch einen bildungsrelevanten Gebrauch auslösen, ermöglichen ohne dies ausdrücklich intendieren zu müssen. Das typische Beispiel sind Dokumentationen zu allen möglichen (politischen, historischen, kulturellen oder alltagsrelevanten) Themen, die, weil sie Tatsachenverhältnisse beschreiben oder solche interpretieren, als Bereicherung von Wissen und Erfahrung bewusst genutzt oder letztendlich so erlebt werden. Zugleich sind solche Medien oder Medienprogramme Dispositive des sozialen Wandels und des Perspektivenwechsels in der gesellschaftlichen Konstitution von Bildung. Dabei sind unter anderem folgende Trends zu bemerken:
- von der Wissensdominierten Bildung zur Bewusstseinsdominierten Bildung,
- von der institutionendominierten Bildung (Pädagogik) zur netzdominierten Bildung (open source Modell)
- vom Hierarchie-Autoritätsprinzip zum Heterarchie-Vetrauensprinzip
- vom Struktur- und Objektwissen zu Kultur- und Deutungswissen,
- vom Informationsverständnis zum Diskursverständnis von Bildung
- vom Arbeitsparadigma zum Spielparadigma
- vom Industrie-Modell (Trennung zwischen Arbeit und Freizeit) zum integrierten Medienmodell (Mischung der Formate Information und Unterhaltung)
- von der Schriftdominanz zur Schrift-Bild-Mischung,
- vom rezeptiven Mediengebrauch zum produktiven Mediengebrauch
- vom organisierten/institutionalisierten zum individualisierten Mediengebrauch
- von der linearen Bildung zur kontextuellen Bildung
- von der Medienzentrierung zur kontextuellen Medialität.
Alle hier angesprochenen Veränderungen sind Momentaufnahmen eines übergreifenden sozialen und kulturellen Wandels, der nicht deshalb passiert, weil er sich nicht aufhalten ließe, sondern der passiert, weil wir gelernt haben, die Gesellschaft anders, nämlich aus dem Prinzip ihres Wandels zu beobachten und zu verstehen. Die Kategorie des sozialen Wandels ist nicht ein Beobachtungsgegenstand, sondern eine Beobachtungskategorie, ein alltagstheoretisches wie auch ein wissenschaftlich-theoretisches Konzept, das über dessen normative und kritische Inspiration praktisch auch empirisch wird.
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