• Spatzen und Glatzen
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    Sana10.04.2017
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    Reformationspredigt zu Gal 5,1–6

    Kurt Rainer Klein

    »Zur Freiheit hat uns Christus befreit!« sagt Paulus. Im Blick auf die Reformation und Martin Luther denken wir an die Schrift des Reformators »Von der Freiheit eines Christenmenschen«, in der er sagt: »Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.« Vielleicht klingt dies bei den Aussagen ein wenig widersprüchlich. Aber Freiheit bedeutet immer zweierlei: zum einen frei sein von etwas und zum anderen frei sein für etwas.

    Zwei Jugendliche im Alter, wo man gerne grübelt und auf viele Fragen wenige Antworten erhält, kamen auf die Freiheit des Menschen zu sprechen. »Ich finde es zum Heulen«, sagte der eine, »dass man scheinbar tun kann, was man will, und am Ende erwischt einen doch die Notwendigkeit.« »Ja«, bestätigte der andere, »es ist zum Verzweifeln. Mir fällt dabei immer die Situation einer Maus ein, die sich einmal in unserem Keller verirrt hatte. Jemand ließ die Katze in den Keller, und nun begann es: Die Katze sprang zu und verfehlte die Maus – aber nur zum Spiel. Sie wusste ja, die Beute war ihr sicher. Die Maus flitzte von Ecke zu Ecke im aufgeregten Versuch, sich zu retten, aber das schien ausweglos zu sein.« »Und dann? Was geschah? Sie wurde wohl gefressen?« »Nein, mein Vater öffnete die Tür und die Maus konnte entkommen.«

    Eigentlich ist alles klar: Die Maus hat keine Chance gegen die Katze. Sie ist gefangen im Keller und gefangen in dem Naturgesetz, dass die Katze die stärkere ist. Aber dann öffnet sich – o Wunder – die Kellertür und sie entkommt völlig unerwartet und überraschend in die Freiheit, mit der sie nicht gerechnet hat. Frei von der Notwendigkeit gefressen zu werden, wird sie frei für ein neues Leben in ungeahnter Freiheit.

    Jesus hat seinen Zuhörern seine Botschaft vom Reich Gottes gerne in Gleichnissen erzählt. Diese Gleichnisse stießen zum Nachdenken an. Es waren keine fertigen Antworten, die er gab in dem Sinne: So ist es und nicht anders! Nein, durch das Erzählen eines Gleichnisses gab Jesus seinen Zuhörern die Freiheit, über das Gesagte nachzudenken und zu eigenen Schlüssen zu gelangen.

    Eines dieser Gleichnisse kennen wir mit der Überschrift »Vom verlorenen Sohn«. Die Überschrift ist nicht ganz korrekt, weil es in diesem Gleichnis ja bekanntermaßen um zwei Söhne geht. Um den, der in die Fremde zieht, und den Sohn, der zuhause bleibt.

    In den letzten Jahren habe ich immer wieder einmal mit meinen Konfirmanden über dieses Gleichnis geredet und darüber gesprochen. Im Vergleich der beiden Söhne haben die Konfirmanden eine gewisse Ungerechtigkeit empfunden. Der eine lässt sich sein Erbe auszahlen, zieht in die Fremde, verprasst alles, kommt wieder nach Hause und wird begrüßt wie ein König. Der andere bleibt zuhause, arbeitet brav von morgens bis abends, gönnt sich nichts, stellt keine besonderen Ansprüche, ist zuverlässig und gewissenhaft. Die Sympathien der Konfirmanden waren auf der Seite des Zuhausegebliebenen. Ihn haben sie als den Benachteiligten der beiden Söhne ausgemacht.

    Nun, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht? Wo Ihre Sympathien liegen? Wem Sie mehr zuneigen von den beiden? Menschlich betrachtet kann ich die Einstellung meiner Konfirmanden nachvollziehen und ihr Gerechtigkeitsempfinden verstehen. Doch ist das Gleichnis dieser beiden Söhne nicht ganz ähnlich wie die eingangs erzählte Geschichte mit der Maus?!

    Im Grunde ist für uns klar: Der Sohn, der sein Erbteil verprasst hat, hat zuhause keine Anrechte mehr. Eigentlich müsste er zuhause arbeiten wie ein Tagelöhner, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das empfänden wir im Blick auf den zuhause gebliebenen Bruder als gerecht.

    Aber Jesus überrascht uns. Wie der Vater in der Geschichte mit der Maus ganz unerwartet eine Tür öffnet, so auch der Vater in diesem Gleichnis. Die Zuhörer damals sind sicher genauso perplex gewesen wie wir, als sie gehört haben, wie der Vater den Rückkehrer empfängt: Mit offenen Armen läuft er ihm entgegen, er umarmt und küsst ihn, er lässt das beste Gewand, Ring und Schuhe holen, schlachtet ein gemästetes Kalb und veranstaltet ein Fest.

    So ist Gott, will Jesus sagen. Wie der Vater, der einfach die Tür öffnet und die Maus frei lässt. Wie der Vater in dem Gleichnis, dessen Liebe größer ist als unser Gerechtigkeitsempfinden, das einsperrt und uns gefangen hält. Diese Liebe überrascht uns immer wieder. Sie überrascht uns deswegen, weil sie Möglichkeiten sieht und eröffnet, die in eine ungeahnte Freiheit führen. Der Vater in der Geschichte ist frei, die Tür zu öffnen, und die Maus ist frei, zu leben. Der Vater im Gleichnis ist frei, da Liebe zu schenken, wo andere Verachtung oder gar Strafe erwarten, und der heimgekehrte Sohn ist frei, zu leben.

    Jesus führt uns Gottes unbegrenzte Möglichkeiten vor Augen. Das ist die Perspektive Gottes: Das Leben geht weiter – für die Maus, für den Heimgekehrten –, wo wir denken, es sei zu Ende.

    Und was heißt das für uns selbst? Jesus traut uns zu, in solcher Freiheit zu denken und zu handeln, die eingetretenen Pfade zu verlassen, die Grenzen zu überschreiten, neue Möglichkeiten zu ersinnen.

    Warum nicht freundlich sein, wenn man allen Grund hätte, beleidigt zu sein?

    Warum nicht sanfte Worte finden, wo ein Donnerwetter angebracht wäre?

    Warum nicht über den eigenen Schatten springen und neue Wege einschlagen?

    Wir haben alle Freiheit dazu!

    Spatzen und Glatzen


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