Die „Homohostie“-Affäre
Mitte Februar 2010 stand die katholische Kirche der Niederlande plötzlich im Zentrum der Medienaufmerksamkeit. Ein im Bistum ’s-Hertogenbosch als konservativ bekannter Pfarrer hatte den Karnevalprinzen seines Dorfes gewarnt, während der Eucharistiefeier mit dem Thema Fasching („carnaval“) am Samstag,13. Februar 2010, nicht zur Kommunion zu gehen. Diesen Ratschlag erteilte ihm der Pfarrer mit der Begründung, dass ein homosexueller Lebenswandel nicht mit dem Empfang des Leibes Christi zu vereinbaren sei. Einige Tage später wurde diese Tatsache über die Medien bekannt. Nicht nur Kreise der Homosexuellen und der Lesben waren empört. Unmittelbare Unterstützung kam ebenso von Politikern, die sich solidarisch erklärten. Auch treue Katholiken regten sich über das Verhalten des Pfarrers Journalisten gegenüber auf und waren enttäuscht. Die erste bischöfliche Erklärung bot dem Pfarrer insofern Rückendeckung, als sie sich de facto nur als eine Bestätigung der Kirchenlehre in Bezug zur Würde des Empfangens (bzw. Nichtempfangens) der Kommunion lesen lieβ. Die Folge war ein „Medienhype“. Dies geschah insbesondere, nachdem am Sonntag, den 21. Februar 2010, das Hochamt vor und im Dom des Bistums durch eine Demonstration gestört worden war. Zuvor hatte der Pressesprecher des Bischofs mitgeteilt, dass es sich um einen Gottesdienst ohne Kommunion für die Gläubigen handeln würde. Mit dieser „Lösung“ jedoch eskalierte die Affäre. Journalisten, Fotografen und Kameraleute strömten zusammen und verursachten in Bild und Text eine neue Aufmerksamkeitswelle. Nach Verhandlungen mit Vertretern einiger Interessenverbände musste das Bistum schon bald einlenken: Der Bischof Anton Hurkmans hob letztendlich am 3. März 2010 hervor, dass jeder Katholik mit seinem Gewissen entscheiden solle, ob die Kommunion in Würde empfangen werden könne oder nicht. Unabhängig von der sexuellen Präferenz konnte man Gedanken hinzufügen. Es fühlten sich auch nicht-kirchlich wieder verheiratete Geschiedene angesprochen. Leserbriefe zeigten, dass sich diese Katholiken besonders diskriminiert fühlten und im Ergebnis der katholischen Kirche den Rücken kehrten.
Die „Hostie-Affäre“ mit ihrem im Grunde innerkirchlichen Charakter bot Zündstoff für eine Explosion von Veröffentlichungen und Debatten im Rundfunk und im Fernsehen. Häufig war es peinlich, wie über das für gläubige Katholiken „Heilige der Heiligen“ in den Medien gesprochen und geschrieben wurde. Ohne unmittelbar an ein antipapistisches Aufbegehren zu denken darf man doch feststellen, dass die Grenzen der Schicklichkeit überschritten wurden. Die Aufregung war zwar von kurzer Dauer, verursachte jedoch einen erheblichen Verlust an Respekt wegen der zögerlichen Leitung eines Bistums. Beurteilt man die Geschehnisse aus Sicht des Kommunikationsmanagements, dann muss man feststellen, dass der Bischof sich erst nach einigen Wochen, also zu spät, am Verhandlungstisch mit Vertretern der Homosexuellen- und Lesbenorganisationen zum üblichen und weit verbreiteten pastoralen Standpunkt, Katholiken nicht öffentlich von der Kommunion auszuschlieβen, bekannte. Schon am ersten Sonntag nach dem Beginn der Veröffentlichungen und Diskussionen in Rundfunk und Fernsehen hätten er oder einer seiner Vikare als Stellvertreter diese pastorale Haltung als Richtlinie im Dom verkünden und die Kommunion erteilen können. Die Demonstranten in ihrer auffälligen rosaroten Bekleidung vor und im Dom hätten dann, gestärkt durch eine als Erwachsenenkatechese einzustufende Predigt, beruhigt heimkehren können. Die anwesenden Journalisten hätten die bischöfliche Stellungnahme als gute Botschaft verbreiten können. Ehemalige Katholiken und Kritiker der katholischen Glaubensgemeinschaft wären in der Lage gewesen, nochmals nachzudenken über ihre feste Überzeugung, die Kollision zwischen der Geradlinigkeit eines Pfarrers und (vorübergehend) seines Bischofs sei eine Bestätigung ihrer Auffassung über die Härte einer Kirche, die Nächstenliebe als höchstes Gebot predigt.
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